Identitätskrise der Neos: War die Regierungsbeteiligung eine gute Idee?

Eigentlich könnten die Neos mit den vergangenen Wochen zufrieden sein. Immerhin haben sie zwei ihrer Forderungen für 2026 durchgebracht, die ÖVP und SPÖ im Frühsommer noch belächelten: die Anpassung der Pensionen unter der Inflationsrate und die Nachverhandlung der Beamtengehälter. Aber dienen diese Achtungserfolge auch der Außenwirkung und inneren Ruhe der Partei? Und wiegen sie jene Zugeständnisse auf, die gleichzeitig ÖVP und SPÖ gemacht werden müssen?

Krisper, Scherak, Shetty
Zwei einst gewichtige Abgeordnete haben diese Frage recht eindeutig beantwortet. Einerseits Stephanie Krisper, stellvertretende Klubobfrau und in den vergangenen U-Ausschüssen noch prägendes Gesicht der Pinken, die am Freitag verkündete, ihr Mandat zurückzulegen. Begründung: Ihr Wirkungsbereich habe sich durch die Regierungsbeteiligung „derart reduziert“, dass sie keinen Sinn mehr in ihrer parlamentarischen Tätigkeit sehe. Die Abstriche bei Herzensthemen seien zu groß. Dazu zählten der Stopp der Familienzusammenführung und die Messengerüberwachung.
Beim zweiten Punkt positionierte sich vor allem Nikolaus Scherak öffentlich gegen die Parteilinie. Scherak gilt prinzipiell nicht als Fürsprecher der Regierungsbeteiligung. Er lehnte folgerichtig die Position des Klubobmanns ab – der 30-jährige Yannick Shetty übernahm. Im Klub spielt Scherak seither dem Vernehmen nach keine große Rolle mehr.
Unkoordiniert
Auf weitere, auch kommunikative Unstimmigkeiten weist der Umgang mit der Causa um August Wöginger hin. Der ÖVP-Klubchef bleit trotz seiner Diversion im Postenschacher-Prozess bekanntlich im Amt. Am Sonntag empfahl Sophie Wotschke – Neos-Fraktionsführerin im kommenden U-Ausschuss – Wöginger den Rücktritt. Kurz darauf widersprach die Partei: Wer ÖVP-Klubobmann sei, entscheide immer noch die ÖVP. Um die großen kommunikativen Linien hat seit 2023 Nick Donig gekümmert. Das Problem: Donig, von 2016 bis 2021 bereits pinker Generalsekretär, gab vor zwei Wochen seinen Rückzug als Kommunikationsleiter bekannt – und hinterlässt extern wie intern ein Vakuum.
Selbst Parteiinsidern fällt eine Einschätzung, ob oder wie zerrüttet die Neos nach wenigen Regierungsmonaten sind, gegenüber dem KURIER schwer. Auch klare „Lager“ im 18 Köpfe kleinen Parlamentsklub sind kaum auszumachen. Befürworter der Koalition verweisen auf inhaltliche Ergebnisse – wie eben die Pensionsreform oder die Nachverhandlung der Beamtengehälter.

Sophie Wotschke
Die schärferen Kritiker bewerten nicht nur die inhaltliche Performance überwiegend negativ. Sie sehen grundlegende Fehlkonstruktionen im Regierungsteam. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, als Außenministern naturgemäß viel im Ausland, sei für die Regierungsarbeit nicht greifbar genug. Bereits vielkritisiert: die Ansiedelung von Josef Schellhorn als Staatssekretär für Deregulierung im themenfremden Außenministerium. Vereinzelt auf Bedenken stößt: Um die Regierungskoordination kümmert sich mit Armin Hübner ein Nicht-Politiker – dem mit den Staatssekretären Alexander Pröll (ÖVP) und Michaela Schmidt (SPÖ) eingefleischte Parteisoldaten gegenüber sitzen.
Den Neos fehle vor allem noch das „Selbstbewusstsein, dass sie ein gleichberechtigter Regierungspartner sind“, bilanziert ein Parteikenner. Bisweilen sei die Parteispitze zu konfliktscheu – wie auch schon in Regierungsbeteiligungen in Wien oder Salzburg.
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