Die großen und kleinen Mysterien in der Wahlzentrale
Ganz oben flattern die Engerl, in barocker Façon, also mit roten Bäckchen und wohlgenährt. Doch für das mächtige Deckenfresko im Palais Niederösterreich – es zeigt die „Weltgeltung des Hauses Österreich“ – hat an diesem Tag kaum jemand Augen.
Die Musik, das Geschehen, spielt zu ebener Erd’, im früheren Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtags. Hier ist die Wahlzentrale des Innenministeriums, man könnte pathetisch auch sagen: Es ist die Herzkammer dieses Wahlabends.
Wie bei allen über-regionalen Wahlgängen ist der Rhythmus an diesem Tag derselbe: Erst tut sich zunächst recht wenig und dann wird es sehr, sehr hektisch. Diesmal mit der Ausnahme, dass auffallend viel Polizei zugegen ist. Niemand kommt ohne Akkreditierung ins Haus. Und selbst alle vorab Registrierten müssen ihre Taschen und Rucksäcke durch den Metall-Scanner schicken – Flughafenflair irgendwie.
Sämtliche Räume, der Ritter-, der Herren- und auch der Prälatensaal sind voll mit Menschen, oder genauer: Mit Technikern und Journalisten. Fernsehstationen und Medienhäuser haben „Stände“ aufgebaut – Lümmelpulte, Kameras und Mikrofone, was man so braucht. Und hier ziehen dann reihum Polit-Funktionäre wie Klubobleute oder Parteigeschäftsführer von Stand zu Stand, Meinungsforscher und natürlich die Kandidaten selbst.
Die Ersten werden die Letzten sein
Die beiden Wahlwerber Heinrich Staudinger und Michael Brunner kehren einen biblischen Wahlspruch ins Gegenteil: Sie sind die Ersten, die in der Wahlzentrale, um am Ende die Letzten zu sein, zumindest beim Ergebnis.
Bereuen? Nein, bereuen tut er nichts, sagt Staudinger als längst klar ist, dass Alexander Van der Bellen wiedergewählt wird. „Wir müssen das Wirtschaftssystem ändern, alles muss regionaler werden“, sagt er. Doch so lange die Konsumenten so viele Waren – Staudinger sagt ehrlicherweise „Scheißdreck“ – in China kaufen, werde sich nichts zum Besseren wenden. Der Mann sagt das aus Überzeugung in die Handy-Kamera zweier Blogger, die auf Tik Tok Politik erklären. Sagen sie zumindest.
TV und Negroni
Während sich Kandidat Brunner tröstet, „Botschaften unter die Leute gebracht zu haben“, erklärt ein anderer Kandidat – Gerald Grosz –, was er Montag, Dienstag und Mittwoch vorhat. Eine neue Partei gründen? I wo! Zuerst will er das Grab seines politischen Ziehvaters Jörg Haider besuchen. „Dann geh’ ich in ein TV-Studio“ – und am Ende wartet noch ein Negroni. In Triest will er selbigen zu sich nehmen, mehr Pläne braucht er vorerst nicht.
Ein paar Zimmer weiter steht Kabarettist Thomas Maurer und ordnet den Wahlkampf ein – mit erheblichen Schwierigkeiten, wie er zugibt. Brunners Ähnlichkeit mit Hollywood-Star Christopher Walken macht dem Kabarettisten sichtlich zu schaffen („Das ist ein bisserl beklemmend“). Und dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen im Wahlkampf sogar seinen eigenen Hund interviewen wollte bzw. musste, das stellt den gelernten Satiriker Maurer vor veritable Schwierigkeiten.
Als dann das größte Rätsel, das Wahlergebnis, gelöst ist, bleiben nur noch die kleinen Mysterien übrig. Unter den Fresken der Wahlzentrale stellen sich alle Beobachter die Frage, welcher Hieb Herrn Rosenkranz so hart getroffen hat, dass er nicht ohne gekreuztes Pflaster auftreten kann (siehe Wahlsplitter rechts unten). Alexander Van der Bellen kommt erst verspätet ins Medienzentrum – da ist alles schon entschieden.
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