Brief von Innenministerium: Opferschutz geht weiter vor

Brief von Innenministerium: Opferschutz geht weiter vor
Die Landespolizeidirektionen bleiben nach dem Mail ihren Linien (fast) treu.

Nachdem das Innenministerium alle Landespolizeidirektionen ersucht hatte, die Staatsbürgerschaft der Verdächtigen in den Aussendungen zu benennen, gibt es bereits eine erste Änderung. Wurde von der Wiener Polizeipressestelle, der größten des Landes, in Aussendungen bisher nur das Alter der Tatverdächtigen kommuniziert, ist seit wenigen Tagen auch die Nationalität der Beschuldigten angegeben.

„Beamte des Stadtpolizeikommandos 22 wurden am 24. September 2018 um 07.30 Uhr zu einem Nachbarschaftsstreit nach Wien-Donaustadt gerufen. Dort beschimpfte eine 33-jährige serbische Staatsbürgerin, die mit einem Niqab vollverschleiert war, die einschreitenden Polizisten massiv“, heißt es in einer der jüngsten Meldungen. Vor Jahren waren die Verdächtigen von Seiten der Wiener Polizei sogar oftmals mit dem Namen abgekürzt veröffentlicht worden. Auch in Deutschland wird durch manche Polizeipresseaussendungen die Nationalität der Akteure kommuniziert.

Dass die Behörden „proaktiv“ Sexualdelikte an die Medien ausschicken sollen, lässt die LPD Wien-Pressestelle kalt. Laut Leiterin Daniela Tunst werde man der bisherigen „Linie treu bleiben“. Das heißt, bei Sexualdelikten stehe der Opfer- und Datenschutz stets im Vordergrund. Ausgesendet werden diese nur, wenn die Delikte im öffentlichen Raum geschehen und hohes öffentliches Interesse besteht. Was bisher auch entschieden wurde.

Auch bei der Pressestelle der Landespolizeidirektion Niederösterreich sieht man durch das bekannt gewordene Mail aus dem Innenministerium keine Veranlassung, die bisherige Informationspolitik zu ändern. „Die Öffentlichkeitsarbeit der LPD NÖ erfolgt weiterhin nach den bestehenden rechtlichen Vorgaben. Detailauskünfte zu einzelnen Fällen werden wie bisher ausschließlich nach Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft bekannt gegeben“, erklärt Pressesprecher Johann Baumschlager. Bisher wurde es so gehandhabt, dass Nationalitäten von Straftätern nur in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft veröffentlicht wurden. Bei Sexualdelikten war man aus Gründen des Opferschutzes bisher äußert zurückhaltend, was die Medienarbeit betrifft.

Stimmung anheizen

Udo Jesionek, Präsident der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ sieht in den „Empfehlungen“, Sexualstraftaten und Nationalitäten vermehrt zu kommunizieren, eine klare Taktik: „Damit heizt man die Stimmung an und erweckt die Sensationslust.“ Ein Großteil der sexuellen Übergriffe passiert übrigens durch österreichische Täter im Familien- oder Bekanntenkreis.

D. Melcher, P. Wammerl und m. reibenwein

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