Bin weg, bin wieder da: Was für Straches Comeback in Wien spricht
Bis zuletzt mussten sich hartgesottene Strache-Fans mit trotzig-kämpferischen Facebook-Postings zu Ibiza begnügen - jetzt lässt der frühere FPÖ-Chef wissen, wie es mit ihm weitergeht.
Er wechsle in die Privatwirtschaft, verkündete Strache. Und meint damit ein Immobilienunternehmen, das mehrheitlich im Besitz des ehemaligen FPÖ-Parteisekretärs Siegmund Kahlbacher steht.
Strache ist also weg. Dafür, dass er bald wieder da ist, spricht aber einiges. Das Spiel hat schon sein Vorgänger Jörg Haider beherrscht. Und bei den Parteigängern kommt es nicht schlecht an.
Vor allem auf Wien trifft das zu. Strache hat eine besondere Beziehung zu Wien – und die Wiener Landespartei eine besondere Beziehung zu Strache. Das hat Gründe.
Denn Strache war mit Leidenschaft Bundesparteichef, mit noch mehr Leidenschaft aber Landesparteichef: Er hatte das Amt als Wiener FPÖ-Obmann bis zuletzt inne, auch als er längst Vizekanzler war und die Geschäfte der Wiener Landespartei gar nicht mehr selbst führte.
Und auch sein Wunsch, die SPÖ als Wiener Bürgermeister zu beerben ist wohl älter als jener, Kanzler oder Vizekanzler zu werden. Nicht umsonst hatte Strache – bis zum verhängnisvollen Ibiza-Video – auch als Vizekanzler noch mit dem Gedanken gespielt, selbst für seine Partei in den Wien-Wahlkampf 2020 zu ziehen.
In Wien sozialisiert
Strache ist in der Wiener Partei sozialisiert. Hier nahm nicht nur seine politische Karriere ihren Anfang.
Mit seiner Mutter, einer Alleinerzieherin, lebte er von Kindheit an im 3. Wiener Gemeindebezirk. Hier besuchte er auch die Handelsschule, die er abbrach, um eine Lehre als Zahntechniker zu machen.
Anfang der 1990er-Jahre lernte Strache hier den Zahnarzt und Bezirksobmann im 3. Bezirk, Herbert Güntner, kennen. Mit 21 Jahren wurde Strache jüngster Bezirksrat in Wien.
Drei Jahre später, 1994, übernahm er als Bezirksobmann. Im Jahr 2004 wurde Strache als Nachfolger von Hilmar Kabas Wiener FPÖ-Chef, ein Jahr später auch Bundesparteiobmann.
Blaue Erfolgsgeschichte
Straches Obmannschaft in Wien ist eine blaue Erfolgsgeschichte: Obwohl die Partei nach der Abspaltung des BZÖ am Boden lag, gelang ihm bei der Wien-Wahl 2005 ein Achtungserfolg. Die FPÖ erlangte 14,8 Prozent der Stimmen, ein Minus von nur 5,3 Prozent.
Von da an legten die Blauen in Wien kontinuierlich zu. So sehr, dass Strache bei seiner (vorläufig) letzten Wien-Wahl 2015 sogar das "Duell um die Stadt" ausrufen konnte. SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Häupl spielte mit.
Die FPÖ blieb zwar schlussendlich mit 30,8 Prozent deutlich hinter der SPÖ (39,6 Prozent) zurück. Strache formte die Wiener FPÖ dennoch über die Jahre zur – vom blauen Sonderfall Kärnten abgesehen – erfolgreichsten Landespartei.
Das hat man ihm hier nicht vergessen. Auch nicht nach Ibiza.
Als Strache zurücktreten musste, stimmte die Wiener FPÖ-Spitze zwar pflichtschuldig in die Empörung mit ein. Mehr aber auch nicht.
Strache – und der ebenfalls der Wiener FPÖ zugehörige Johann Gudenus – seien "seine Freunde", sagt etwa der neue Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp gleich in seiner ersten Wortmeldung. Daran ändere auch das Ibiza-Video nichts. Zumindest für Strache dürfte das stimmen.
Erst gestern gab Nepp bekannt, dass Strache ein Büro in der Wiener Landespartei zur Verfügung stehe. "Er hat ein Zimmer bei uns und dort klärt er auf", sagte Nepp. Strache könne auch die Parteiinfrastruktur nutzen.
Für die Ibiza-Affäre gebühre Strache zwar "der Peinlichkeits-Oscar", eine politische Rückkehr schließt er aber dennoch nicht aus, so Nepp.
Ibiza, nicht mehr als eine Peinlichkeit? Das sehen hier nicht wenige so. Dominik Nepp ist nicht der einzige, der Strache freundschaftlich verbunden ist.
Blaue Ibiza-Runde
Auch in der blauen Ibiza-Runde, mit der Strache schon viele Jahre vor dem verhängnisvollen Finca-Besuch 2017 auf der Insel urlaubte, gehört der eine oder andere Wiener Funktionär an.
Wer mit Strache auf Ibiza weilte, der gehört zum inneren Kreis, das war jedem stets bewusst. Hier wurde nicht nur gefeiert, sondern auch so manche Parteistrategie geschmiedet und Personalentscheidung getroffen. Straches Lebensstil und Inszenierung kamen hier besonders gut an.
So gab es nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos so manchen, der Strache in Wien gar nicht gehen lassen wollte. Etwa die Ex-ÖVP-Politikerin und Ex-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel.
Strache hat sie vor der vergangenen Wien-Wahl als blaue Quereinsteigerin aus dem Hut gezaubert. In der ÖVP war sie in Ungnade gefallen, bei der FPÖ erlebte sie ihren zweiten politischen Frühling.
Sie ist seit 2016 nicht-amtsführende Stadträtin für die FPÖ – und ein nahezu frenetischer Strache-Fan. Die 73-Jährige hat vor Jahren Facebook für sich entdeckt – und liked, teilt und kommentiert dort bis heute fast jedes Strache-Posting. "Gemeiner und einseitiger kann's wohl nicht mehr gehen", schrieb sie zuletzt etwa zur Razzia bei Strache.
Auch der Obmann der Freiheitlichen Wirtschaft, Karl Baron, drückt aus, was sich viele denken: Es sei "undenkbar, HC Strache als Obmann der FPÖ Wien zu verlieren", schrieb er direkt nach Ibiza.
Philippa Strache als Bindeglied
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Wiener FPÖ Straches Ehefrau Philippa für die Nationalratswahl auf den dritten Platz der Landesliste gehievt hat.
Es habe sich dabei "nur" um einen "Deal" gehandelt, damit sich Heinz-Christian Strache ohne großes Aufsehen zurückziehe, wurde stets gemunkelt. Es ist aber auch ein Signal.
FPÖ-Chef Norbert Hofer genießt Unterstützung in Wien, auch dem umstrittenen Herbert Kickl hält man die Stange. Beide haben aber nie wirklich Fuß gefasst in der Partei.
Hofer, der spätestens seit seinem Höhenflug bei der Bundespräsidentenwahl als parteiinterne Gefahr für Strache galt, nahm man dies hier übel. Und Kickl, der Asket, passte ohnedies nie wirklich in den Lifestyle der Wiener Funktionäre.
Dass Strache für die Wien-Wahl zurückkehrt, ist nicht unwahrscheinlich. Sein zwischenzeitliches Engagement in der Privatwirtschaft ist dem sogar eher förderlich.
Jetzt ist Strache "weg" (und finanziell versorgt). Nächstes Jahr, im Wahlkampf, kehrt er als Retter zurück.
Ohne ihn ist die Wiener Partei farblos – und im Wahlkampf eher schlecht aufgestellt. Die SPÖ schickt mit dem amtierenden Bürgermeister Michael Ludwig ein Schwergewicht ins Rennen, die ÖVP mit Ex-Minister Gernot Blümel auch.
Strache könnte hier dagegenhalten. Die Wiener SPÖ ist ohnehin einer seiner Lieblingsfeinde.
Auch auf Kosten von Gernot Blümel, dem engen Vertrauten von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, könnte er die Erzählung, dass die ÖVP die Koalition mutwillig platzen ließ, weiter betreiben.
Ganz so schlechte Chancen hätte er wohl nicht.
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