So schlecht sind Österreichs Schüler: 40 Prozent können nicht richtig lesen

Female Student Raising Hand To Ask Question In Classroom
Der Befund ist seit 20 Jahren gleich: Zu viele können auch nach der Schulpflicht nicht ordentlich rechnen, lesen, schreiben. Die Wirtschaft will Reformen.

Acht Jahre Schule – und am Ende kann fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend sinnerfassend lesen. In Mathematik sehen die Leistungen nicht viel besser aus.

Das ist nicht nur für die betroffenen jungen Menschen eine Katastrophe, sondern auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Österreich, weshalb Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer gleichermaßen alarmiert sind. 

So schlecht sind Österreichs Schüler: 40 Prozent können nicht richtig lesen

Ihre Vertreter fordern als Lösung zwei Dinge:

Eine Bildungspflicht für alle jungen Menschen bis 18 Jahre sowie eine Art Mittlere Reife am Ende des 8. Schuljahres – also eine schriftliche Prüfung, die garantiert, dass die jungen Menschen die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen.

Beide Pläne stehen auch im Regierungsprogramm.

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Mittlere Reife

Wie Bildungspflicht und Mittlere Reife aussehen könnten, das war Thema einer Diskussionsrunde in der Wirtschaftskammer. Für die Bildungswissenschaftlerin Ulrike Greiner (Uni Salzburg) ist wichtig, dass diese Prüfung von Lehrpersonen nicht als zusätzliche Belastung wahrgenommen wird.

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Ulrike Greiner

Reformen gab es bisher schließlich genug. „Angesichts der zukünftigen Herausforderungen brauchen Kinder auch noch andere Fähigkeiten als Grundlegendes in Mathe, Deutsch und Englisch – etwa die Selbstkompetenz, also die Frage, welche Stärken die Jugendlichen haben.“

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Christian Friesl

Christian Friesl von der Industriellenvereinigung präzisierte, wie die Mittlere Reife aussehen sollte: Neben dem Abschlusszeugnis solle es eine zentrale Prüfung geben. Hier müsste man das Rad nicht neu erfinden – mit der informellen Kompetenzmessung IKMplus gibt es solche Tests bereits.

Der Unterschied ist, dass sie nicht wie bisher als informeller Test gelten sollen, sondern ähnlich wie die Matura einen zertifizierten Abschluss darstellen. Als dritte Säule sollen die jungen Menschen ein Stärkenportfolio erarbeiten, das ein Stück weit als Bildungs- und Berufsorientierung dient. „Die Mittlere Reife sollte ein Meilenstein werden, der den Pflichtschulabschluss aufwertet“, so Friesl.

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Martin Polaschek

Bildungsminister Martin Polaschek versprach, dass derzeit an einem entsprechenden Konzept gefeilt werde. „Wir sind hier in der Bearbeitungsphase“. Auf einen genauen Zeitplan – angepeilt ist Herbst 2024 – will er sich aber nicht festlegen lassen. Er verweist zudem auf eine großen Leseinitiative, die im kommenden Schuljahr gestartet werden soll.

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Mariana Kühnel

Mariana Kühnel, Vize-Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich hofft, dass sich der Wunsch Polascheks auch in politische Motivation umsetzen lässt. „Derzeit mangelt es 40 Prozent der jungen Bewerberinnen und Bewerben an Grundkompetenzen im Lesen und Rechnen sowie in der digitalen Grundbildung. Es kann nicht sein, dass die Unternehmen das kompensieren, was die Schule nicht schafft.“

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Paul Kimberger

Lehrergewerkschafter Paul Kimberger sieht eine Lösung in einer besseren Elementarbildung. Als Beispiel nennt er Dänemark: „Dort gibt es für alle Dreijährigen eine Sprachstandsfeststellung. Werden da Defizite festgestellt, gibt es bis zu 30 Wochenstunden Unterstützung.“ Würde man auch bei uns früh helfen, hätte man viele Probleme erst gar nicht. Und weiter: „Wenn eine Mittlere Reife garantiert, dass die betroffenen Jugendlichen mehr Chancen haben, kann man darüber reden. Es darf aber keinesfalls zum Bürokratiemonster werden.“

Portfolio

Die Grünen hätten gegen eine Mittlere Reife jedenfalls nichts, wie Bildungssprecherin Sibylle Hamann meint. „Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Jugendliche die Schulpflicht mit einem Leistungsnachweis beenden, und selbstbewusst herzeigen können, was sie können. Ebenso positiv sei die Idee eines Portfolios – damit könnten Jugendliche ihre Stärken und Interessen präsentieren. Das wäre auch für weiterführende Ausbildungen aussagekräftig.“ Allerdings gelte es, Risikoschüler und -schülerinnen möglichst früh zu identifizieren und je nach Problemlage gezielt zu fördern.

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