Arbeitslosengeld: Wer bietet am wenigsten?

Muss das Arbeitslosengeld in Österreich gekürzt werden? Die ÖVP sieht das in ihrem „Österreichplan“ bis 2030 vor. Sie plädiert für ein degressives Arbeitslosengeld wie in Dänemark oder Schweden: Man bekommt zu Beginn der Arbeitslosigkeit mehr, später aber sukzessive weniger. Das soll dafür sorgen, dass Personen wieder schneller in den Arbeitsmarkt einsteigen – und die Kosten der Arbeitslosenversicherung dauerhaft senken.
- Aktuell erhalten Arbeitslose eine Nettoersatzrate von 55 Prozent des letzten Monatsgehalts – 20 bis 52 Wochen lang.
- Danach fällt man in die Notstandshilfe – auf eine Nettoersatzrate von 51 Prozent. Sie kann unter gewissen Voraussetzungen unbegrenzt bezogen werden.
Verglichen mit anderen EU-Staaten ist das Arbeitslosengeld in Österreich anfangs niedrig, auf lange Sicht aber deutlich großzügiger (siehe Grafik). Mit Sozialleistungen wie dem Ergänzungsbeitrag oder dem Familienzuschlag steigen die Bezüge zudem häufig auf eine Nettoersatzrate von 80 Prozent.
Aber gäbe es für ein degressives Modell überhaupt eine politische Mehrheit? Das sagen die Parteien:

ÖVP: Zuverdienst streichen
Im ÖVP-Modell soll die Ersatzrate im zeitlichen Verlauf auf unter 50 Prozent sinken. Die geringfügige Beschäftigung zum Arbeitslosengeld soll gestrichen werden. Diese erlaubt derzeit einen monatlichen Zuverdienst von 518,44 Euro. Laut einer WIFO-Studie von 2022 bleiben Arbeitslose, die geringfügig beschäftigt sind, im Durchschnitt zwei Wochen länger arbeitslos.
SPÖ fordert höhere Nettoersatzrate
Konträre Vorstellungen hat SPÖ-Parteichef Andreas Babler. Er will über staatlich geförderte Arbeitsplätze – etwa an Gemeinden – 40.000 Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Sind die Arbeitslosen älter als 50 Jahre, soll der Staat zudem Lohn- und Lohnnebenkosten übernehmen. Babler will zudem eine „Jobgarantie“ für Personen, die seit mehr als einem Jahr arbeitslos sind. Und die Höhe des Arbeitslosengeldes? Die SPÖ plädiert prinzipiell für eine höhere Nettoersatzrate von 70 Prozent.
FPÖ: "Eiskastenpolitik"
Für diese Höhe des Arbeitslosengeldes trat auch die FPÖ in den vergangenen Jahren ein. Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch bezeichnet die ÖVP-Pläne als „Eiskastenpolitik“ und „unsoziale Schnapsidee“. Beim Arbeitslosengeld handle es sich um seine Versicherungsleistung, nicht um Almosen. Statt Österreicher und Zuwanderer zu bestrafen, die jahrzehntelang „fleißig ins Sozialsystem“ eingezahlt hätten, fordert die FPÖ die Abschaffung der CO2-Bepreisung, der ORF-Haushaltsabgabe und Kürzungen bei Leistungen für Asylwerber.
Grüne widersprechen Kocher
Bei den Verhandlungen zur Arbeitsmarktreform waren die Grünen nicht prinzipiell gegen ein degressives Arbeitslosengeld. Die Reform von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sah ursprünglich vor, dass die Bezüge der Arbeitslosen zuerst 70 Prozent der Nettoersatzrate betragen – und nach drei Monaten auf 55 Prozent sinken. Die Reform scheiterte, weil Kocher den geringfügigen Zuverdienst zum Arbeitslosengeld einschränken wollte und sich für eine zehntägige Wartefrist aussprach – damit es weniger attraktiv wird, etwa Saisonarbeiter beim AMS „zwischenzuparken“.
Neos fordern das schon länger
Die Neos orten beim ÖVP-Plan ein Plagiat, denn sie treten seit Jahren für ein degressives Modell ein. Dass sich die Nettoersatzrate in Österreich kaum ändere und die Notstandshilfe lange bezogen werden könne, entspreche nicht „internationalen Standards“. Beim degressiven Arbeitslosengeld nennt Sozialsprecher Gerald Loacker eine Spannweite von etwa 65 bis 45 Prozent.
Weiterer Punkt: Als zweites Sicherheitsnetz, neben der Notstandshilfe, gibt es auch die Mindestsicherung. Ihre Höhe ist – im Gegensatz zur Notstandshilfe – auch von Bezügen anderer Personen im gemeinsamen Haushalt, etwa dem Partner, abhängig. Die Neos stellen, wie übrigens auch der Rechnungshof, die Sinnhaftigkeit von zwei Systemen infrage. Heißt: Wer zwei Jahre Arbeitslosengeld bezogen hat, soll direkt in die Mindestsicherung übergeführt werden.
Kommentare