Absturz der Spanischen Hofreitschule: Eine Anatomie des Scheiterns

Spanische Hofreitschule
Die Institution – Hofreitschule samt Gestüt Piber – wurde vor 25 Jahren in die Selbstständigkeit entlassen. Seither ging es bergab. Was alles falsch lief.

„Lippizaner im Galopp in die wirtschaftliche Selbstständigkeit“, so der Titel der Parlamentskorrespondenz vom 11. September 2000. Vor 25 Jahren wurde entschieden, die Spanische Hofreitschule, die seit 1919 eine nachgeordnete Dienststelle des Landwirtschaftsministeriums war, auszugliedern.

Spanische Hofreitschule: Ehemaliger Oberreiter Klaus Krzisch

Der ehemalige Oberreiter Klaus Krzisch anl. eines Fototermins in der Hofburg in Wien.

Heute wissen wir: Es war nicht nur die Schreibweise der weißen Pferde falsch – es geht um Lipizzaner –, sondern auch die politische Vorstellung der Regierung Schüssel, aus der „Spanischen“ ein profitables Unternehmen zu machen. Tatsächlich steckt die Hofreitschule heute in einer tiefen Krise. Die „Spanische“ ist eine der wenigen ausgegliederten Gesellschaften des Bundes, die auch in den Jahren 2025 und 2026 wegen akuter Insolvenzgefahr nicht sparen müssen: Der Bund erhöhte die jährliche Grundförderung in diesem Jahr von 2,5 auf 4,5 Millionen Euro.

Hofreitschule in London

32 Millionen Euro Minus

Der Bilanzverlust der ausgegliederten Firma betrug laut dem aktuellen Geschäftsbericht vom September – und noch vor den neuen „Investitionszuschüssen“ – in Summe 31.955.004,96 Euro. Inklusive aller staatlichen Förderungen kostet die Hofreitschule die Steuerzahler seit der Ausgliederung weit mehr als 50 Millionen Euro.

Dazu kommt, dass die Qualität der „hohen Schule der Reitkunst“ der Spanischen immer weniger gewährleistet ist. Das ist vor allem der Überbeanspruchung der Hengste durch zu viele Vorstellungen geschuldet. Der Qualitätsverlust hat auch zur Folge, dass das „weiße Ballett“ kaum mehr ins Ausland zu einst lukrativen Vorführungen eingeladen wird.

Spanische Hofreitschule

Elisabeth Gürtler stand der Spanischen Hofreitschule von 2007 bis 2019 vor

Dafür nehmen die Verwaltungskosten zu, was sich an der hohen und stets steigenden Anzahl der Mitarbeiter feststellen lässt. Gab es vor der Ausgliederung nur wenige Mitarbeiter in der Verwaltung, werden heute laut Geschäftsbericht insgesamt 283 Beschäftigte gemeldet – ohne dass es mehr Bereiter oder Eleven (Schüler) als früher gibt.

Aufsehenerregend waren in den vergangenen 25 Jahren eigentlich nur die Skandale rund um die Spanische. Bitter waren dabei vor allem die Entlassungen der Oberbereiter, wie jene von Klaus Krzisch 2009, der die Umwandlung der Hofreitschule in eine Art touristische Zirkusvorführung durch die damalige Geschäftsführung nicht mittragen wollte. Krzisch klagte und bekam Recht – und alle Gehaltsansprüche rückwirkend ausbezahlt. Er war bei Weitem nicht der einzige Bereiter, der sich gegen Geschäftsideen der wechselnden Führungsebene auflehnte und dafür vor die Tür gesetzt wurde. 

"Hohe Reitkunst"

Doch bei einer Institution, in der das jahrhundertealte Wissen der hohen Schule der Reitkunst immer nur mündlich weitergegeben wird, sind die Folgen der vielen Abgänge für den gesetzlich vorgeschriebenen Erhalt der „hohen Reitkunst“ freilich massiv.

Aufsehen erregten später Meldungen über die drohende Zahlungsunfähigkeit 2014, der Skandal um einen privat verkauften Hengst an die Tochter des damaligen Aufsichtsratschefs 2021, und die Entlassung des Geschäftsführers Alfred Hudler wegen „gravierender Verfehlungen“.

Spanische Hofreitschule: Ehem. Oberreiter Klaus Krzisch

Klaus Krzisch

Krzisch (75) kommt im Gespräch mit dem KURIER immer wieder ins Schwärmen, wenn er über die Reitschule und die Pferde spricht. Er begann in den 1960er-Jahren als 15-Jähriger die Ausbildung und hat alle Höhen und Tiefen miterlebt. Vor der Auslagerung sei bei Weitem auch nicht immer alles gut gewesen, sagt Krzisch, aber wenigstens sei die Tradition, wie seit 460 Jahren mit den Pferden auf der Reitbahn gearbeitet wird, respektiert worden: „Die Schule ist schon lange in einer prekären Situation, weil alle Geschäftsführer, in der Hoffnung auf mehr Einnahmen, die jahrhundertealten Abläufe auf der Reitbahn auf den Kopf gestellt haben.“

Absturz der Spanischen Hofreitschule: Eine Anatomie des Scheiterns

Kranke Hengste

Früher gab es deutlich weniger Vorführungen – etwa 45 pro Jahr plus Staatsbesuche, das habe den Pferden ausreichend Zeit zur Erholung ermöglicht. Durch die schonende Ausbildung können die Hengste im hohen Alter von bis zu 28 Jahren aktiv bleiben. Dressurpferde gehen meist mit 18 schon in „Pension“. Doch seit der Geschäftsführung von Elisabeth Gürtler wurde die Zahl der Vorführungen drastisch auf etwa 100 erhöht, zudem wurden die Trainingstage von rund 170 auf bis zu 250 gesteigert. Dass heute vor allem „Kurz-Vorstellungen“ vorgeführt werden, ist dem Umstand geschuldet, dass nicht ausreichend fitte Pferde vorhanden sind. Die Überlastung führt zu einem massiven Anstieg an Sehnenschäden, Lahmheiten und stressbedingten Krankheiten bei den voll ausgebildeten Pferden – das wurde sogar vom Rechnungshof festgestellt.

Auch sei die Ernennung zum Oberbereiter immer nur durch das Gremium der Oberbereiter selbst geschehen, seit Gürtler trifft die Geschäftsführung die Entscheidungen.

Was wünscht sich ein ehemaliger Oberbereiter für die Zukunft der „Spanischen“? Einerseits, sagt Krzisch, das Bekenntnis der Politik, die Schule wirklich erhalten zu wollen, auch wenn sie keine Gewinne abwirft. Aber vor allem: Die Rückkehr der Ruhe in der Reitbahn und der optimalen Ausbildungs- und Trainingsbedingungen für die nächste Generation.

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