Migrantin im Ministeramt wird "hoffentlich bald Normalität" sein
Jene, die ein Problem mit der neuen Justizministerin haben, dürften in der Minderheit sein – das legt zumindest eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM für den KURIER nahe:
60 Prozent der Befragten halten es für „zeitgemäß“, dass eine Frau mit Migrationshintergrund österreichische Justizministerin ist. Nur eine Gruppe ist in der Umfrage ein Ausreißer (siehe Grafik).
Konkret nach Alma Zadić gefragt, sagen 22 Prozent, sie „begrüßen“, dass die bosnischstämmige Österreicherin in diesem Amt ist, und 33 Prozent „akzeptieren“ es. Insgesamt ist die Mehrheit ihr gegenüber also positiv eingestellt.
Nur 14 Prozent sagen, sie „lehnen es ab“, 20 Prozent der Befragten gaben an, sie seien „skeptisch“. Insgesamt kann also nur jeder Dritte (34 Prozent) der Bestellung wenig bis nichts abgewinnen.
Spannend sind die Detailergebnisse der OGM-Umfrage: Unter jenen Befragten, die die ÖVP – also jene Partei, die nun mit den Grünen regiert – gewählt haben, gibt es 38 Prozent negative Stimmen.
Skeptisch bis ablehnend sind kurioserweise auch 21 Prozent der Befragten mit SPÖ-Präferenz – einer Partei, die sich (ebenso wie die Grünen) immer stark für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund eingesetzt hat.
FPÖ-Wähler dagegen
Unter den FPÖ-Wählern sind die Balken genau umgedreht: 48 Prozent lehnen die bosnischstämmige Ministerin ab, 37 Prozent sind skeptisch.
Und ganze 66 Prozent, also zwei Drittel der FPÖ-Wähler, glauben, dass es generell „nicht zeitgemäß“ sei, dass eine Frau mit Migrationshintergrund Ministerin wurde.
Das Ergebnis überrascht nicht. Auch die Betroffene kritisiert, dass einige FPÖ-Mitglieder „Unwahrheiten“ über sie verbreitet und auch die Identitären den Hass geschürt hätten. „Man muss sich nur die Kommentare unter den Facebook-Postings durchlesen“, sagt Zadić. Sie selbst tut das nicht mehr – es wäre zu viel.
Es blieb auch nicht bei Beschimpfungen, sogar Morddrohungen erhielt die 35-Jährige in den sozialen Netzwerken. Seit ihrem ersten Arbeitstag steht die neue Justizministerin deshalb rund um die Uhr unter Polizeischutz. „Etwas ungewohnt ist es schon“, sagt sie, „wenn man in der Früh aus dem Haus geht, und da warten schon Beamte auf einen.“
Wie sie sich die Vorbehalte gegen ihre Person erklärt? Eine Frau mit Migrationshintergrund in einer so hohen Position im Staat – „das hätte man sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können“, sagt Zadić. „Jetzt ist es Realität, und in ein paar Jahren wird es hoffentlich Normalität sein.“
Einzelne Gruppen tun sich damit derzeit schwer – Zadić ist aber überzeugt, dass es nur kleine Gruppen seien, sie spürt nämlich auch eine Welle an Solidarität. Einige Bürger hätten sogar bei ihr im Justizministerium angerufen, um sie zu bestärken.
Fokus auf Opfer
„Hass im Netz“ überschattet den Amtsantritt der jungen Ministerin – und wurde so auch unfreiwillig zu ihrem ersten Thema im Amt.
Im Regierungsprogramm finden sich einige Maßnahmen dagegen – was Zadić auslässt, ist der Ruf nach härteren Gesetzen. Auch jetzt, da sie selbst Opfer davon wurde.
Stattdessen will die frühere Wirtschaftsanwältin, geschult in Konfliktmanagement, die bestehenden Gesetze besser nutzen, Opfer und Ermittlungsbehörden zu unterstützen.
In ihrem Fall ermittelt der Verfassungsschutz – und sie ist sich bewusst: „Ich bin als Beamtin in einer besseren Position, bei solchen Hassdelikten gibt es eine Ermittlungspflicht. Viele andere, die solchen Diskriminierungen und rassistischen Äußerungen ausgesetzt sind, haben das nicht. Sie überlegen sich drei Mal, ob sie sich rechtlich gegen solche Angriffe wehren.“
Die Ausforschung der Täter und deren Verfolgung sei oft zeitintensiv – und entsprechend teuer. Eingeführt werden könnte bei bestimmten Fällen, die sonst als Privatanklagedelikt gelten, eine Ausforschungspflicht für Staatsanwaltschaften.
Stärker in die Pflicht nehmen müsse man laut Zadić auch Internet-Giganten wie Facebook und Google, meint Zadić. Sie sollen aufgefordert werden, strafrechtlich relevante Postings wie etwa Morddrohungen zu melden und die Accounts der Tatverdächtigen zu sperren.
Heikle Verhandlungen
Als Nächstes wird die neue Justizministerin die angespannte finanzielle Lage in ihrem Ressort in Angriff nehmen müssen – bald starten die Budgetverhandlungen.
Ihr Vorgänger aus der Beamtenregierung, Clemens Jabloner, hatte ja gewarnt, dass es 2020 mindestens 90,6 Millionen Euro für Sofortmaßnahmen brauche, sonst steht der Betrieb.
Auf eine konkrete Summe – oder überhaupt auf eine Zusage – will sich die Ressortchefin aber nicht festnageln lassen. „Wir werden uns das anschauen“, sagt sie nur. Und: „Ich werde bestens vorbereitet in die Verhandlungen gehen.“
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