Regierungskoordinator Pröll: "Bei mir sind die Nächte einfach kürzer"

Ein Mann, vermutlich Hermann Pröll, gestikuliert vor der österreichischen Flagge.
Alexander Pröll über das Regieren zu dritt, warum er für ein Social Media-Verbot für Teenager und strikt gegen eine Erhöhung der Grundsteuer ist.

Am Freitag vor Weihnachten zieht die Dreierkoalition Bilanz über ihr ersten gemeinsamen Monate. Im KURIER-Gespräch sagt Alexander Pröll, Staatssekretär im Bundeskanzleramt und für die ÖVP-Koordinierung zuständig, woran es hapert und wie viel Zeit er auf Social Media verbringt:

KURIER: In Australien gibt es ein Social Media-Verbot für Teenager. Wünschen Sie sich selbiges für Österreich?

Alexander Pröll: Australien ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Ich glaube, dass wir auch in Europa dringend ein Social Media-Verbot für unter 14-Jährige aus Jugendschutzgründen brauchen, weil wir sehen, welche extremen Suchtgefahren bestehen. Durchschnittlich verbringt ein Teenager täglich sechs bis sieben Stunden mit Social Media.

Wie viele Stunden sind es beim Digitalisierungsstaatssekretär?

Wahrscheinlich gut eine Stunde. Jeder, der ein Smartphone besitzt, merkt selbst, wie abhängig machend es sein kann. Mündige Erwachsene können selbst entscheiden, was sie tun. Aber gerade im Kinder- und Jugendbereich sehen wir, wie durch Social Media Radikalisierungen oder das Vorleben von falschen Schönheitsidealen zum Problem werden.

Social Media Apps

Um das zu unterbinden, …

brauchen wir aus meiner Sicht eine europäische Lösung, die wir dann möglichst rasch nationalstaatlich umsetzen.

Die potenzielle Social Media-Sucht hat keine Altersgrenze. Ist dieses Verbot also nicht viel zu kurz gedacht?

Ich sehe es auch nicht singulär, sondern halte ein Maßnahmenbündel für notwendig. Was meine ich damit? Wir müssen digitale Bildung, Medienkompetenz und Aufklärung über Hass im Netz mehr in die Schulen bringen. Und wir müssen auch aus demokratiepolitischer Sicht diskutieren, wie wir damit umgehen, dass zum Beispiel TikTok zwei Milliarden Userinnen und User pro Monat erreicht. Die verwendeten Algorithmen können extrem manipulierend wirken und eine Gefahr für die Demokratie als Ganzes darstellen. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel von Krise gehört – Klimakrise, Asylkrise, Migrationskrise. Ich aber glaube, dass wir uns mittlerweile in einer kognitiven Krise befinden, weil über Algorithmen Stimmung gemacht wird – vor allem mit Negativität, Angst und Wut. 

Vizekanzler, Außenministerin, Staatssekretär

Sie wollen wie ganz Europa seit Langem eine Handhabe gegen die großen Plattformen?

Ja. Wir brauchen eine Regulierung der großen Plattformen, weil sie nicht wie herkömmliche Medien ein Redaktionsstatut haben, sich aber Soziale Medien nennen. Es gibt auf europäischer Ebene den Digital Service Act und im Artikel 28 eine Kann-Bestimmung, was die grundlegenden Auflagen für die Plattformen angeht. Ich bin dafür, diese Kann-Bestimmung in eine Muss-Bestimmung umzuändern. Wir müssen die großen Plattformen in die Pflicht nehmen.

Eine technische Errungenschaft, die allgegenwärtig geworden ist, ist Künstliche Intelligenz. Wie viel KI wird in der Industriestrategie stecken, die die Regierung im Jänner vorstellen will?

Vorweg: Erstens, ich glaube, dass KI maßgebliche Veränderungen mit sich bringen wird. Punkt Zwei: Ich glaube, wir werden weder in Europa noch in Österreich ein zweites TikTok oder Instagram bauen.

Aber wir sollten den Anspruch haben!

Wir sollten in anderen Bereichen den Anspruch haben, vorne dabei zu sein. Wir sind eine sehr starke Industrienation mit vielen "Hidden Champions", bei denen es aus meiner Sicht darum gehen wird, wie wir die KI vertikal in unsere Industriebetriebe bekommen können. 

Vertikal, heißt was genau?

KI kann Industriebetrieben helfen, effizienter zu planen, schneller zu produzieren und damit mehr zu exportieren. 

Mitte des Jahres war von einer KI-Behörde der Bundesregierung die Rede. Was ist aus den Plänen geworden?

Wir sind kurz vor der Koordinierung. Einen ersten Entwurf gibt es bereits. Diesen werden wir bald mit den Koalitionspartnern abklären. 

Alexander Pröll, Michaela Schmidt, Yannick Shetty

Alexander Pröll, Michaela Schmidt, Yannick Shetty

Apropos Koordinierung: Sie sind zum ersten Mal Teil einer Regierung und für die Koordinierung zuständig. Dauert alles länger, weil die Koalition aus drei grundverschiedenen Parteien besteht?

Das würde ich so nicht sagen. Es bedeutet mehr Arbeit. Bei mir sind die Nächte einfach kürzer. 

Dass alles länger dauert, abgetauscht wird, weil Sie zu dritt sind, stimmt nicht?

Wir haben in den ersten 10 Monaten bereits 19 Prozent des Regierungsprogramms abgearbeitet. Hochgerechnet werden wir also das ganze Programm bis zum Ende der Legislaturperiode geschafft haben. 

Markus Marterbauer

Sie könnten sich auch auf die Wirtschaft fokussieren, dafür anderes weglassen. 

Wir haben einen wesentlichen Fokus. Beispielsweise auf die Reformpartnerschaft und die effizientere Gestaltung von Verantwortlichkeiten. Mir ist klar, dass viele Schritte im Hintergrund für die Menschen noch nicht spürbar sind, aber wir müssen erst ganz grundsätzliche Strukturen neu denken und bauen. Diese ersten Schritte sind aber notwendig, um erfolgreich zu sein. Denn so, wie es jetzt ist – mit der Ausgabendynamik und der Bevölkerungspyramide – wird es sich nicht mehr ausgehen. 

Pröll in seinem Büro im Gespräch mit Johanna Hager

Das heißt, Alexander Pröll rechnet nicht damit, eine Pension zu erhalten wie die Senioren heute?

Ich gehe davon aus, dass wir Ausgabendynamiken haben werden. Wir wissen, dass es in Österreich jetzt 1,8 Millionen Menschen gibt, die über 65 Jahre alt sind und es in den nächsten Jahren 2,7 Millionen Menschen sein werden. Das bedeutet natürlich eine Mehrbelastung für den Staat. Das ist die Wahrheit. Alles andere wäre gelogen. Wir müssen uns daher überlegen, wie wir es schaffen, effizienter zu werden, um ein sozialer Wohlfahrtsstaat zu sein und zu bleiben. Deshalb werden wir in der Reformpartnerschaft, die Verantwortlichkeiten klar definieren und mit Finanzierungen hinterlegen. Es kann nicht sein, dass jeder für alles und nichts zuständig ist. 

Sie haben die Pensionsfrage mit der Gesundheit beantwortet. 

Man kann die Veränderung der Bevölkerungsstruktur auf alle Bereiche - Gesundheit oder Pensionen umlegen. Wir haben im Pensionssystem auch schon kleine Schritte gesetzt, die Teilpension umgesetzt und den Nachhaltigkeitsmechanismus, der unter Schüssel eingesetzt wurde, gibt es wieder. 

SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer sieht kein Ausgaben-, sondern eher ein Einnahmenproblem und kann, wie er immer sagt, Grund- und Vermögenssteuern persönlich etwas abgewinnen, doch das sei mit den Koalitionspartnern nicht zu machen. 

Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich bin klar gegen eine Erhöhung der Grundsteuer, weil es nichts anderes ist als Vermögen zu besteuern. Ich bin dagegen, Menschen mehr zu belasten. Der Staat muss die Schulden ausgabenseitig in den Griff bekommen. Wir müssen Kompetenzen entflechten und nicht über neue Einnahmen reden. Wir haben ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem. 

Kommentare