Zweites EU-Referendum: Bereitet Labour den Exit vom Brexit vor?

Delegates vote on the Labour Party's Brexit policy as party leader Jeremy Corbyn, Shadow Foreign Secretarty Emily Thornberry and Diane Abbott, the Shadow Home Secretary sit on the podium at the party's conference in Liverpool
Partei ist tief gespalten über den Umgang mit dem britischen EU-Austritt.

Immer mehr deutet darauf hin, dass es zu einem zweiten Brexit-Referendum kommen könnte. Die Labour Party hält sich bei ihrem Parteitag in Liverpool alle Optionen offen. Eine Abkehr vom Brexit scheint nicht mehr unmöglich zu sein.

Werden die Briten den Brexit doch noch einmal rückgängig machen? Das zumindest könnte man glauben, wenn man die Begeisterung für den Vorschlag eines neuen Referendums mit der Option zur Abkehr vom Brexit auf dem Labour-Parteitag sieht.

Für ein zweites Brexit-Referendum zu werben, müsse eine Option bleiben, ruft der Brexit-Experte der Arbeiterpartei, Keir Starmer, am Dienstag in den Saal in Liverpool. "Niemand schließt den Verbleib (in der EU) als Wahlmöglichkeit aus" - er erntet frenetischen Beifall, viele Zuhörer stehen auf. In diesem Moment scheint alles möglich.

St SWarmer fordert zwar nicht ausdrücklich eine Abkehr vom Brexit, doch er könnte kaum deutlicher machen, dass es ihm genau darum geht. Dass er damit den Nerv vieler Labour-Mitglieder trifft, ist auch vor dem Tagungszentrum im Hafen von Liverpool zu sehen: Dutzende in blau gekleidete Menschen schwenken EU-Fahnen und halten Plakate mit der Forderung nach einem zweiten Referendum in die Höhe.

Tiefe Spaltung

Doch es gibt während Starmers Rede auch ratlose Gesichter in der Menge. Labour ist tief gespalten in der Frage nach dem Brexit. Noch am Tag zuvor hatte Schattenkanzler John McDonnell in einem Radio-Interview ausgeschlossen, dass der Verbleib in der EU bei einem zweiten Brexit-Referendum zur Wahl stehen könnte. McDonnell gehört wie Labour-Chef Jeremy Corbyn zum extrem linken, EU-skeptischen Teil der Partei. Doch für den Moment scheinen sich die Europa-Freunde um Starmer durchgesetzt zu haben.

Ein Parteitagsbeschluss, den die Delegierten später mit großer Mehrheit verabschieden, deutet nur sehr vage an, dass sich Labour für ein zweites Referendum um den Brexit stark machen könnte und nur als letzte Option. Ganz oben auf der Wunschliste steht eine Neuwahl. Doch hört man Starmer, klingt ein zweites Referendum eher nach Plan A als nach Plan B.

Realität werden könnte das, wenn Premierministerin Theresa May mit einem Brexit-Deal im Parlament in Westminster scheitert. Auch das ist inzwischen wahrscheinlicher geworden. Labour, das macht Starmer deutlich, werde Theresa May nicht als Mehrheitsbeschaffer für ein Brexit-Abkommen auf Grundlage ihres Chequers-Deals zur Verfügung stehen. May kann bisher aus eigener Kraft dafür nicht auf eine Mehrheit hoffen. Die Pläne sind bei ihren Konservativen heftig umstritten. Auch die EU lehnt die Vorschläge ab.

Sollte der Regierung noch rechtzeitig ein Abkommen mit Brüssel gelingen, muss sie es vor dem EU-Austritt am 29. März 2019 dem Parlament in Westminster vorlegen. Premierministerin May hat eine Alles-oder-nichts-Abstimmung angekündigt. Entweder die Parlamentarier unterstützen ihren Deal oder es gibt einen Brexit ohne Abkommen - mit möglicherweise katastrophalen Folgen für viele Lebensbereiche. Für Starmer ist das keine sinnvolle Abstimmung. "Es geht darum, einen zerstörerischen Tory-Brexit zu verhindern", sagt er.

Einer Umfrage zufolge wünschen sich 86 Prozent der Labourmitglieder ein zweites Referendum zum endgültigen Brexit-Abkommen. 90 Prozent würden heute für einen Verbleib Großbritanniens in der EU stimmen, ergab die YouGov-Befragung von 1000 Labour-Mitgliedern im Auftrag der Zeitung "The Observer". In der Gesamtbevölkerung dagegen scheint es Umfrage zufolge nach wie vor keine klare Mehrheit für einen Exit vom Brexit zu geben.

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