Zweckoptimismus zur Lage der Europäischen Union

José Manuel Barroso spricht im Europäischen Parlament.
Bei der jährlichen Rede des Kommissionspräsidenten dominierten die Themen Krise, Syrien und EU-Wahl.

In blumiger Sprache erinnerte am Mittwoch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in seiner Rede zur Lage der Union daran, dass das "wirtschaftliche Unwetter" noch nicht vorbei sei. Auch fünf Jahre nach Ausbruch der Krise sei diese "echter Stresstest": "Nichts wird mehr so sein wie vorher. Diese Krise ist eine andere, eine strukturelle".

Dennoch herrschte Optimismus vor: Die Lage in den Krisenländern habe sich verbessert. Spanien verzeichne eine verstärkte Wettbewerbsfähigkeit, die Exporte von Dienstleistungen und Waren seien so hoch wie seit der Euro-Einführung nicht mehr. Irland könne vom Kapitalmarkt verstärkt Kredite aufnehmen, Portugals Leistungsbilanz werde das erste Mal wieder ausgewogen sein und Griechenland habe innerhalb der vergangenen drei Jahre große Haushaltsanpassungen vorgenommen und komme in die Nähe eines Primärhaushaltsüberschusses.

Auch zeigte sich Barroso erfreut über Signale der G-20 auf deren jüngsten Gipfel in Sankt Petersburg. "Das erste Mal seit Jahren mussten wir von niemandem Lektionen zur Krisenbewältigung annehmen. Wir wurden gelobt und ermuntert. Die Krise ist nicht vorbei, aber die EU ist widerstandsfähig".

Für Europa sei der Aufschwung entscheidend. Neuerlich drängte Barroso den Europäischen Rat dazu, sicherzustellen, dass ab 2014 der nächste mehrjährige Finanzrahmen anlaufen könne. Ebenso drängte er auf die Bankenunion.

Wahl 2014 - "Mythen oder Wahrheit"

Zu den bevorstehenden Europawahlen merkte Barroso an, das Vertrauen in die EU habe gelitten. Die Krise habe zu einer Polarisierung geführt, dies sei ein Risiko für das europäische Aufbauwerk. Es gehe nun um eine Trendwende. "Welche Vision von Europa werden wir den Wählern vorstellen, eine offene ehrlich oder eine Karikatur - Mythen oder die Wahrheit."

Vor kurzem sei noch der "Totengesang" für den Euro angestimmt worden. Aber "wir sind alle im selben Boot in guten wie in schlechten Zeiten. Man kann nicht sagen, das eine Ende des Boots geht gerade unter." Bei den Wahlen "kommen wir alle auf den Prüfstand". Neuerlich nahm Barroso zur Lage vor 100 Jahren, knapp vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, Stellung. "Europa begab sich damals gleichermaßen schlafwandlerisch in die Katastrophe von 1914. Nächstes Jahr wird Europa hoffentlich aus der Krise heraustreten, geeint, gestärkt und offen", so Barroso.

Solidarität

Etwas kryptisch merkte Barroso auch an, er wolle nicht für jedes Problem eine europäische Lösung haben. "Europa muss sich auf das konzentrieren, wo der meiste Mehrwert ist. Wo das nicht der Fall ist, sollten wir uns nicht einmischen. Die EU muss groß sein bei großen Dingen und klein bei kleinen Dingen. Das haben wir in der Vergangenheit möglicherweise etwas missachtet", so der Kommissionspräsident.

Er kündigte an, noch vor dem Urnengang einen Vorschlag über die Zukunft der EU vorzulegen - "wie wir die Gemeinschaftsmethode langfristig modernisieren können". Entscheidend sei eine größere Verantwortung und Solidarität auf EU-Ebene. Die "Stärkung der sozialen Dimension" sei wesentlich. Er werde am 2. Oktober auch ein Papier zur sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion präsentieren, "Solidarität ist das Schlüsselelement des europäischen Aufbauwerks".

Syrien

Die Lage in in Syrien bezeichnete der Kommissionschef als "untragbar". Das Weltgewissen werde durch diese Vorgänge immer mehr belastet. Es sei wichtig, den syrischen Flüchtlingen und Bürgern zu helfen, aber nur eine politische Lösung sei geeignet, zu einem dauerhaften Frieden zu führen. Barroso ging nicht ausdrücklich auf die jüngste Entwicklung mit der US-Kriegsdrohung gegen Syrien ein. "Wir haben Dinge sehen müssen, von denen wir glaubten, dass sie längst Geschichte sind. Der Einsatz von Chemiewaffen sei ein unmenschlicher Akt. "Da muss stark darauf reagiert werden", wobei der Kommissionspräsident sich an die internationalen Gemeinschaft wandte, "mit dem Kernstück UNO". Das syrische Regime müsse nun zeigen, dass es bereit sei, die Auflagen bezüglich C-Waffen unverzüglich durchzuführen.

Barroso betonte zur Geschichte der EU, Europa brauche sich nicht zu schämen, sondern könne stolz sein. "Wir müssen in die Zukunft blicken mit der Weisheit, die wir aus der Vergangenheit schöpfen." Europa habe jedenfalls die Spaltungen und Kriege überwunden. Der Europäische Kontinent habe noch nie so lange Friedenszeiten erlebt. Es sei die Pflicht der EU, dies zu erhalten und zu stärken.

Lob und Tadel hat es Mittwoch im Europaparlament in Straßburg für die Rede von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zur Lage der Union gegeben.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Joseph Daul, sagte, die bisher ergriffenen Maßnahmen der Kommission würden beginnen, Früchte zu tragen. In Portugal gehe die Arbeitslosigkeit seit Monaten zurück, in Spanien gebe es große Investitionen und in Griechenland habe sich der Tourismus gut entwickelt. Eine Vollendung des Binnenmarkts könne ohne Zusatzkosten ein Prozent mehr an Wachstum bringen.

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten (SPE), Hannes Swoboda, meinte, das Glas sei immer noch halb leer. Den Bürgern mangle es an Vertrauen, die Kommission müsse darauf Antworten geben. So werde von einem neuen Paket für Griechenland gesprochen, während einige von Erholung redeten. Als "Skandal" bezeichnete es der SPÖ-Politiker Swoboda, wenn 31 neue Arbeitsplätze in Spanien gelobt werden. Wenn man von Erholung rede, habe man tausende neue Arbeitsplätze im Sinn und nicht 31. Die sei kein Wirtschaftsaufschwung.

Guy Verhofstadt von den Liberalen (ALDE) ortete zwar Anzeichen für eine wirtschaftliche Gesundung, doch gehe es um eine realistische Bewertung. "Ich glaube, wir treten jetzt in eine zweite Krisenphase ein." Es beginne eine lange Phase der Stagnation, "wir erleben einen japanischen Winter". Verhofstadt verglich die Lage der EU mit der Japans in den 90er Jahren, als es ungelöste Bankenprobleme und eine Immobilienblase gab und zwei Jahrzehnte kaum Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit herrschten.

Die Grüne Fraktionschefin Rebecca Harms meinte, die Krisenpolitik habe eben nicht alle aus der Krise herausgeführt. Vielmehr seien Elend und Perspektivlosigkeit geschaffen worden. Wesentlich sei die Unterstützung der Bankenunion, um die großen Risiken des Finanz- und Bankensektors bearbeiten zu können. Als unerträglich bezeichnete sie, dass der Klimaschutz nach hinten gedrängt wurde.

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