Abschuss russischer Jets "kann schnell in eine Eskalationsspirale führen"

Zusammenfassung
- Trump hat seine Haltung im Ukraine-Krieg geändert und sieht Russlands Wirtschaft als schwach, was vom Kreml zurückgewiesen wird.
- Militärexperte Sandtner hält eine Rückeroberung ukrainischer Gebiete für schwierig und sieht die Verantwortung zur Konfliktlösung eher bei Europa als bei den USA.
- Ein Abschuss russischer Flugzeuge bei Luftraumverletzungen könnte laut Sandtner schnell zu einer Eskalationsspirale führen, während Drohnenabwehr teuer und komplex bleibt.
Der Kreml hat am Mittwoch die Aussage von US-Präsident Donald Trump über Russland als schwachen "Papiertiger" zurückgewiesen. "Russland ist überhaupt kein Tiger. Bei Russland denkt man eher an einen Bären. Papierbären gibt es nicht. Russland ist ein echter Bär", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau dem Radiosender RBK. Natürlich gebe es Schwierigkeiten wegen der Sanktionen, aber insgesamt sei die Wirtschaft in Russland stabil.
Trump hatte zuvor seinen sonst positiven Tonfall gegenüber Moskau geändert und erklärt, die russische Wirtschaft sei in fürchterlichem Zustand. Das Land könne trotz seiner Übermacht den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen; diese könnte sogar ihr Territorium zurückerobern.
Zuvor hatte Trump mehrfach zu verstehen gegeben, dass Kiew territoriale Zugeständnisse an Moskau machen solle, um Frieden zu erreichen.
Militäranalyst Sandtner in der ZiB2
Am Mittwoch-Abend war dazu Militärexperte Berthold Sandtner von der Landesverteidigungsakademie zu Gast in der ZiB2 im ORF.
Militäranalyst Sandtner: "Rückerobern schwierig"
Laut Sandtner ist es vorstellbar, dass die Ukraine den russischen Vorstoß aufhalten könne, eine Rückeroberung sei aber "schwierig". Dazu fehle es an einigem, vor allem einem technologischen Wunder: "Die Front ist jetzt getrennt durch eine 10 bis 20 Kilometer breite Todeszone, die durch die Drohnen beherrscht wird." Hier gebe es kaum Bewegung. Dazu würden die Ukrainer auch "konservativ geschätzt 500.000 zusätzliche Soldaten, vielleicht auch etwas mehr" fehlen.
Auf die Frage, ob es mit militärischer Unterstützung der USA möglich wäre, antwortet der Experte: "Wenn man genau gehört hat, was Donald Trump gesagt hat, dann hat er es der EU und der europäischen NATO zur Aufgabe gemacht den Konflikt zu lösen. Es war ja keine Rede davon, dass die USA das machen würden." Es würde eher danach aussehen, dass die USA Europa in die Führungsrolle zur Lösung des Ukraine-Krieges bringen würde. Eine US-Beteiligung an einer Rückeroberung der ukrainischen Gebiete sei jedenfalls nicht absehbar.
Abschuss russischer Flugzeuge?
Ein weiteres Thema war der mögliche Abschuss russischer Flugzeuge, die den NATO-Luftraum verletzen. Was Trump zuletzt bejahte. Der Experte sieht das anders: "Seitens Russland wird ein kalkuliertes Risiko in diese Eskalation gegangen." Gleichzeitig wolle man aber eine direkte, militärische Auseinandersetzung vermeiden. "Unmittelbar Flugzeuge, die den Luftraum der NATO verletzen, abzuschießen, das ist wohl das Ende der Fahnenstange", so Sandtner.
Er ortet bei der NATO jedenfalls deutlich ein Handeln, auch, wenn Russland das natürlich auch erreichen will. Die NATO sei gezwungen, sich selbst zu schützen. "Und gerade diese für die Ukraine so bitter benötigten Fähigkeiten der Luftabwehr werden jetzt in den NATO-Staaten selbst gebraucht." Dazu bestehe die Gefahr von "Missverständnissen oder Überreaktionen, die zu einem Abschuss und dann natürlich sehr schnell in eine Eskalationsspirale führen könnten."
Teurer Drohnen-Abschuss
Auch was Drohnen angeht sei ein Abschuss nicht so einfach. Denn: "Erst muss man sie erkennen, identifizieren und schauen, wo sie überhaupt hinfliegen." Dazu sei ein solcher Abschuss ziemlich teuer, sagt Sandtner: "Eine Drohne kostet vielleicht 10.000 Euro. Und eine Rakete, mit der man die Drohne vom Himmel holt, die kostet eine halbe Million oder eine Million Euro."
Jedenfalls sei Trumps Ansage zumindest ein klares Signal an Putin gewesen, "auch wenn die Einschätzung, die Ukraine könnte mit ein bisschen mehr Unterstützung ihr Territorium zurückgewinnen, unrealistisch ist." Ein starkes Signal, mehr aber auch nicht. Einem Frieden sei man damit jedenfalls auch Sandtners Einschätzung zufolge nicht näher gekommen.
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