Zeitenwende: Wales ernennt erste, offen lesbische Erzbischöfin

Wales hat vergangene Woche Geschichte geschrieben. Die Diözese Monmouth - bis dato bekannt für ihre reiche Geschichte, malerische Umgebung und als Geburtsort von König Heinirch V. - wird nun auch als jene Region in die Annalen eingehen, die Großbritanniens erste Erzbischöfin hervorbrachte.
Mit einer Zweidrittelmehrheit hat vergangene Woche ein Wahlkollegium aus Geistlichen und Laien die 66-jährige Cherry Vann, amtierende Bischöfin von Monmouth und in den 1990er-Jahren eine der ersten Priesterinnen des Landes, zum neuen kirchlichen Oberhaupt von Wales gekürt.
Doch in konservativen Kreisen sorgt die Ernennung für Wirbel. Denn Vann ist nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste LGBTQI+-Geistliche in dieser Position: Sie lebt mit ihrer Freundin Wendy, mit der sie sich 2015 verpartnert hat.

Cherry Vann wird die neue Erzbischöfin von Wales
Während die anglikanische Kirche keine Hochzeiten unter gleichgeschlechtlichen Paaren anbietet, genehmigt sie seit zwei Jahren die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in einem sogenannten „Gebet der Liebe und des Glaubens“ und erlaubt es Geistlichen, in gleichgeschlechtlichen Beziehungen zu leben.
Kritik aus konservativen Reihen
Andrea Williams - die Chefin der evangelischen Organisation Christian Concern – ist dennoch erbost: „Die Kirche von Wales“, sagt sie, „hat eine Erzbischöfin ernannt, die offen gegen die christliche Lehre verstößt.“ Laut biblischer Lehre, fuhr Williams fort, sei die Ehe eine lebenslange Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. „Als Pastorin und jetzt als Erzbischöfin hat Cherry Vann geschworen, die Lehre der Kirche zu wahren - Und doch lebt sie öffentlich in bewusster Ablehnung zu ihr.“
Andere hegen hingegen die Hoffnung, dass die Kirche mit Cherry Vann ein neues, positives Kapitel aufschlagen kann. „Sie verfügt über die Fähigkeiten und die Vision, die wir jetzt brauchen“, sagt Ian Black, Dekan von Newport zur BBC.
Missstände aufräumen
Die Neuwahl wurde notwendig, weil der frühere Erzbischof Andy John im Juni wegen Missstände in seiner Heimatkathedrale Bangor zum Rücktritt gezwungen war. Zwar wird John nicht selbst unangemessenes Verhalten vorgeworden, doch er soll über sexuelle Übergriffe, Trinkgelage und Mobbing in Bangor Bescheid gewusst haben und nicht scharf genug gegen die Missstände vorgegangen sein.

Die anglikanische Kirche von Wales hat ein neues Oberhaupt ernannt.
Vann ist sich ihrer Herausforderung bewusst: „Wir haben viel Arbeit vor uns“, erklärte sie beim Pressegespräch vor britischen Medien. Sie werde als erstes dafür sorgen, dass die Probleme, die in den letzten sechs Monaten aufgeworfen wurden, angemessen angegangen werden.
Anschließend will sie sich für „Heilung und Versöhnung“ einsetzen, „ein wirklich gutes Vertrauensverhältnis zwischen der Kirche und den Gemeinden, denen sie dient, aufbauen“.

Wales ist mit seinem Imageproblem nicht alleine. England ist seit Jänner ohne kirchliches Oberhaupt, nachdem Justin Welby zu Jahresbeginn sein Amt als Erzbischof von Canterbury zurücklegte. Auch er hat zu lange über Missbrauchsvorfälle in der anglikanischen Kirche geschwiegen.
Sein Nachfolger, oder seine Nachfolgerin, soll im Herbst bekannt gegeben werden.
Kommentare