Putins Propaganda-Show: Häme für die EU, Lob für Trump – und ein Heiratsantrag
Wladimir Putin macht keinen Hehl daraus, was für ihn derzeit zählt. Bei seiner jährlichen, stundenlang im Staatsfernsehen übertragenen Pressekonferenz stellte der russische Präsident klar: Der Krieg gegen die Ukraine bleibt oberste Priorität.
Alles andere, von Wirtschaft bis Sozialpolitik, ordnet sich diesem Ziel unter.
Sein Auftritt war sorgfältig inszeniert. Zwar ließ Putin seinen in letzter Zeit oft ausgetragenen Tarnanzug diesmal im Kleiderschrank und erschien im dunklen Anzug mit roter Krawatte, inhaltlich aber präsentierte er sich einmal mehr im Kriegsmodus.
Fragen zu Frontverlauf, militärischer Ausrüstung und Veteranen bestimmten die Veranstaltung. Putin lobte Freiwillige als "echte Männer“, ehrte Soldaten im Saal und zeichnete ein Bild eines entschlossenen Landes im Kampf. Kompromissbereitschaft zeigte er nicht. Frieden sei nur möglich, wenn Moskaus Sicherheitsforderungen erfüllt würden, darunter Gebietsabtretungen und ein Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt.
Lob für Trumps Vermittlung
Putin begrüßte einmal mehr auf Frage eines US-Journalisten, dass Präsident Donald Trump sich um ein Ende des Krieges bemühe. Bei seinem Treffen mit Trump in Alaska im August habe die russische Seite den US-Vorschlägen für eine friedliche Lösung des Konflikts praktisch zugestimmt, sagte er. Er sei dabei auch auf die Bitten nach Kompromissen eingegangen, sagte Putin, ohne Details zu nennen. Er wies zurück, dass Russland den Friedensplan ablehne.
Putin sagte auch, dass Russland nicht vorhabe, ein europäisches oder anderes Land zu überfallen. Wichtig sei aber, dass Russlands Sicherheitsinteressen berücksichtigt würden. Dazu gehöre auch Moskaus Ablehnung einer NATO-Osterweiterung. Dabei wies er die NATO, die Russland als Bedrohung sieht und vor einem Krieg mit der Atommacht warnt, auf die neue Sicherheitsstrategie der USA hin. Dort sei Russland nicht als Feind aufgeführt. "Können Sie lesen?", fragte Putin an die Adresse von NATO-Generalsekretär Mark Rutte.
Aktuell laufen Verhandlungen, bei denen die USA mit Ukrainern und Russen sprechen. Direkte Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien gibt es aber bisher nicht. Die Gespräche sollen am Wochenende in den USA fortgesetzt werden. Eine Einigung ist bisher nicht in Sicht.
"Der Ball liegt bei Kiew"
Russland habe den Krieg nicht begonnen, so Putin. Vielmehr habe man auf Ereignisse seit 2014 reagieren müssen.
"Der Ball liegt nun ganz klar bei unseren westlichen Gegenspielern, sagen wir, beim Chef des Kiewer Regimes und in dem Fall vor allem bei dessen europäischen Sponsoren", sagte Putin. Er beteuerte, dass Russland zu einer friedlichen Lösung des Konflikts bereit sei, wenn seine in der Vergangenheit dargelegten Forderungen erfüllt würden.
Unter anderem verlangt Moskau, dass die Ukraine sich aus dem Donbass – den Gebieten Donezk und Luhansk – zurückzieht. Die russischen Forderungen laufen auch auf eine Kontrolle über die Regierung in Kiew und eine Demilitarisierung der Ukraine hinaus, und Putin hat bisher keine Abschwächung dieser Ziele erkennen lassen.
Auch auf die Frage eines US-Journalisten nach der Verantwortung für weitere Tote wies Putin jede Schuld von sich: "Wir fühlen uns nicht verantwortlich.“
Selenskij ist ein "talentierter Schauspieler“
Was den Kriegsverlauf betrifft, sprach Putin ausschließlich über angebliche Fortschritte. Die russische Armee habe entlang der gesamten Frontlinie die Initiative, der Gegner weiche zurück, weitere Erfolge stünden kurz bevor.
Unabhängige Einschätzungen zeichnen ein deutlich nüchterneres Bild und sprechen von tendenziell langsamen, verlustreichen Vorstößen. Den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij in der umkämpften Stadt Kupjansk tat Putin als Inszenierung ab. Das veröffentlichte Video sei ein "Fake“, Selenskij ein "talentierter Schauspieler“.
EU-Gelder als Triumph für Moskau
Mit sichtlicher Genugtuung kommentierte Putin den jüngsten EU-Beschluss, der Ukraine zwar 90 Milliarden Euro an Finanzhilfen für 2026 und 2027 zuzusagen, eingefrorene russische Zentralbankvermögen jedoch vorerst nicht anzutasten. Der Versuch Europas, dieses Geld zu nutzen, sei gescheitert, erklärte er. Eine Konfiskation nannte Putin "Raub“ und warnte vor schweren Konsequenzen. Ein solcher Schritt würde das Vertrauen internationaler Investoren zerstören. "Früher oder später werden sie das Geld zurückgeben müssen“, sagte er mit Blick auf die rund 200 Milliarden Euro, die vor allem in Belgien lagern.
Alltagssorgen bleiben unbeantwortet
Deutlich knapper fielen Putins Aussagen in Bezug auf die wirtschaftliche Lage im eigenen Land aus. Das verlangsamte Wachstum von rund einem Prozent stellte er als bewusste Maßnahme zur Inflationsbekämpfung dar. Die hohe Teuerung, steigende Preise und wachsende Steuerlast, die viele Bürger beschäftigen, beantwortete Putin mit technokratischen Erklärungen und vagen Versprechen. Auf konkrete Sorgen reagierte er zunehmend ungehalten, der Ton des fürsorglichen Landesvaters wich dem eines Feldherrn im Dauerkrieg.
Steuern, ein Heiratsantrag und eine Geheimwaffe im Kosmos
Zu der jährlichen Fragerunde mit Putin gingen nach Angaben des russischen Staatsfernsehens drei Millionen Fragen ein. Der Kremlchef verteidigte die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die im neuen Jahr in Russland von 20 auf 22 Prozent steigt, um das im Krieg wachsende Haushaltsdefizit zu decken. Er stellte aber in Aussicht, dass die Steuern auch wieder sinken sollten.
Im Saal des Veranstaltungszentrums Gostinny Dwor in Moskau versuchten die Zuschauer wie üblich mit Rufen und Plakaten die Aufmerksamkeit von Putins Pressesprecher Dmitri Peskow zu erlangen und ihre Fragen loszuwerden.
Ein junger Mann machte seiner Freundin, die am Bildschirm zusah, einen Heiratsantrag.
Putin musste sogar auf eine Frage nach dem Kometen 3I/Atlas antworten, der sich am Freitag der Erde am dichtesten nähert. Das sei eigentlich eine russische Geheimwaffe, "die wir aber nur im äußersten Fall einsetzen werden", scherzte der Kremlchef. Dann beruhigte er aber die Fragestellerin aus dem sibirischen Gebiet Tjumen: "Das Objekt, von dem sie reden, ist Hunderte Millionen Kilometer entfernt. Ich glaube nicht, dass es eine Gefahr für uns darstellt."
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