Wie Keir Starmer versucht, den Vormarsch der rechten Reform-Partei zu stoppen

Diese Niederlage scheint akzeptiert, bevor sie überhaupt eingetreten ist. Der britische Premierminister Keir Starmer weigerte sich bis zu zuletzt ins nordenglischen Runcorn und Helsby zu reisen. Die dortige Labour-Kandidatin Karen Shore musste ihre Wahlkampftour also alleine bestreiten. Damit ist Starmer der erste Regierungschef seit fast 20 Jahren, der sich bei der ersten Nachwahl in einer neuen Legislaturperiode nicht vor Ort engagiert.
Die Abstimmung im Wahlkreis zwischen Liverpool und Manchester am 1. Mai ist für Labour nicht nur brisant, weil der bisherige Labour-Parlamentsabgeordnete Mike Amesbury nach einer Schlägerei, für die er zehn Monate Haft erhielt, zurücktreten musste. Die einstige rote Hochburg könnte dem größten Konkurrenten zufallen. Nein, nicht den Tories sondern Nigel Farages rechtspopulistischer Reformpartei.

Nigel Farage ist in Großbritannien auf Erfolgskurs.
Es stehen an diesem Tag aber auch Lokalwahlen mit ähnlicher Tendenz an. In 24 Gemeinden werden insgesamt 1.641 neue Gemeinderäte gewählt - bis zu 450 Mandate könnten dabei an Reform UK gehen.
Reformpartei auf Platz 1
Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary Universität überrascht das nicht. „Nigel Farage ist ein Konkurrent der Konservativen, die nach wie vor äußerst unpopulär sind.“ Was ihn aber doch erstaunt: „Obwohl die Labour-Partei bei ihrem Wahlsieg nicht besonders beliebt war, haben nur wenige von uns erwartet, dass sie so schnell so viel Unterstützung verlieren wird.“

Tim Bale wundert Reforms Beliebtheit nicht.
Denn eine aktuelle Umfrage von More in Common zeigt eine dramatische Verschiebung im politischen Spektrum: Gäbe es heute Parlamentswahlen, würde die Labourpartei von 412 auf 165 Sitze herunterrasseln. Die Konservativen würden dieselbe Menge erhalten. Und auf Platz eins mit 180 Parlamentssitzen wäre: Nigel Farage.
Migrationsfrage als Knackpunkt
Der Rechtspopulist und Ur-Brexiteer scheint darum bemüht, dieses Szenario Realität werden zu lassen. Mit Feuereifer tourt er derzeit durchs Land, wettert unter Jubelrufen und zu den wachelnden „Make America Great Again“-Kappen seiner Befürworter gegen Einwanderer und präsentierte vergangene Woche – symbolträchtig in Dover – seinen Vier-Punkte-Plan, um die „Migrationskrise zu beenden“: ein Ausstieg aus dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, eine Aushebelung des Menschenrechtsgesetzes von 1998, ein neuer Minister für Abschiebungen und neue Mitarbeiter im Innenministerium.

Nigel Farage stellte in Dover seinen Vier-Punkte-Plan vor.
Eine YouGov-Analyse ergab unlängst: Nach dem Protest gegen Labour und Torys ist Farages harter Kurs in Migrationsfragen der Hauptgrund für die Unterstützung der Reformpartei.
Starmer plant Maßnahmenpaket
Doch Labour will das Feld nicht kampflos räumen. Parteiintern formierte sich im Frühling eine „Pressure Group“, die Starmer in diesem Bereich zum Handeln drängen möchte. Am 19. Mai will der Premier nun ein Maßnahmenpaket zur Einschränkung legaler Einwanderung präsentieren. Laut Telegraph soll es für ausländische Studierende schwieriger werden, im Land zu bleiben. Arbeitskräfte im Land sollen für Aufgaben qualifiziert werden, die häufig von Arbeitnehmern aus dem Ausland übernommen werden. Und Arbeitgeber, die gegen das Arbeitsrecht verstoßen, sollen keine Personen mehr aus dem Ausland einstellen können.
Tim Bale bezweifelt, das Starmer damit punkten kann: „Beweise aus Europa zeigen, dass der Versuch, die Rechtspopulisten auf jenem Gebiet zu übertreffen, das sie am liebsten bekämpfen - nämlich die Migration - ein dummes Unterfangen ist.“ Dadurch würde das Thema in den Vordergrund gerückt, ohne dass die Zahl der Menschen der Einwanderer nennenswert sinken würde. „Wenn Starmer nicht aufpasst, wird er für das gleiche bestraft werden wie die Konservativen vor ihm: zu viel versprechen und zu wenig halten.“
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