Wie China sich Putin zum Vasallen macht

Vor ein paar Wochen grinsten beide zufrieden in die Kameras. Wladimir Putin, weil er in Peking auf die Weltbühne zurückkehren konnte, ganz ohne moralischen Fingerzeig des Westens. Xi Jinping, weil China beim Treffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) für ein paar Tage Nabel der Welt war: Die Machtverschiebung weg von den USA, die seit Jahren schleichend stattfindet, sah man da plötzlich plakativ auf Bildern.
Schon seit Jahren wirft Peking seine Netze aus, gewinnt über Infrastrukturprojekte, Darlehen, Bildungsaustausch Einfluss in Ländern, die vom Westen enttäuscht sind. Dazu kommt eine globale Rohstoffdominanz, mit der selbst die USA nicht mithalten können. Die Kombination geht auf: Vor 25 Jahren war Pekings Einfluss noch auf Staaten wie Iran, Myanmar oder Sudan beschränkt. Nun hat China laut Analyse des US-Think Tanks CESI fast die Strahlkraft der USA erreicht, vor allem in Afrika, Südamerika und Asien – unangenehme Abhängigkeiten inklusive.
Russland, die abhängige Supermacht
Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine hat dieses Gefüge nochmals verschoben, und zwar massiv. Russland, das sich selbst nicht nur als mit den USA und China ebenbürtig, sondern nach wie vor als Supermacht begreift, ist heute in einem Ausmaß von Peking abhängig, das der Kreml lieber unerwähnt lässt. China liefert ein Drittel der russischen Exporteinnahmen, 40 Prozent der Importe kommen von dort – neben Millionen Autos, die westliche Marken komplett ersetzt haben, vor allem Güter für Putins Krieg. Für China ist Russland hingegen ein ersetzbarer Faktor: In der Handelsbilanz 2024 stellte Moskau drei Prozent der Exporte, bei den Importen kam man auf fünf Prozent .
Wie sehr Xi Jinping seinen „alten Freund“ Putin an der kurzen Leine hält, konnte man gut nach dem Treffen der SCO beobachten. Russlands Medien jubelten da tagelang über einen Megadeal zwischen beiden, der den seit Jahren stockenden Bau der Gaspipeline „Power of Siberia 2“ von der Arktis bis nach Nordchina ermöglichen soll. Das 2600 Kilometer lange „Jahrhundertprojekt“, wie der Kreml es nennt, soll nicht nur die Verluste des Europageschäfts zur Gänze kompensieren, sondern vor allem der strauchelnden Gazprom wieder auf die Beine helfen.
Für die einen ein Megadeal, für die anderen ein vager Plan
Wegen des globalen Überangebots kämpft Putins halbstaatlicher Öl- und Gasriese seit Monaten mit massiven Gewinneinbrüchen, ebenso wie die anderen russischen Ölkonzerne. Für Putins Krieg hat das unangenehme Folgen: Ein Drittel des Staatsbudgets kommt aus dem Öl- und Gasexport. In Pekings staatstreuen Medien war jedoch kaum etwas über den Deal zu lesen, mehr noch: Was Gazprom-Chef Alexej Miller „rechtlich bindend“ nannte, war für China nur eine lose Absichtserklärung.
Doch auch schon die hat Fallstricke: Sollte die Pipeline je in Bau gehen, müsste die Gazprom das 100 Milliarden Dollar teuren Projekt vorfinanzieren – was mit fallenden Börsenkursen, leeren Kassen und 17 Prozent Zinsen in Russland quasi ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dazu kommt, dass Moskau sich schon zuvor auf extrem schlechte Konditionen eingelassen hat: Peking kauft Gas zum russischen Inlandspreis – der wird allerdings massiv staatlich subventioniert. Moskau fördert seine Verkäufe an China damit auch noch mit eigenem Geld.
Warum macht der Kreml das? „Theoretisch sollte das jeden pragmatischen Entscheidungsträger im Kreml zutiefst beunruhigen“, analysiert Russland-Experte Alexander Gabuev vom Think Tank Carnegie. „Aber Putin ist kein pragmatischer Entscheider, und sein zunehmendes Vasallentum von China ist seine eigene Entscheidung. Das ist der Preis, den Putin dem Land auferlegt, um seinen Traum von der Vorherrschaft über die Ukraine zu verwirklichen.“
Raus aus Putins Umarmung
China ist weitsichtiger. Dort versucht man, sich aus Putins Umarmung zu lösen: Der Gastransport aus Turkmenistan und Myanmar wurde massiv erhöht, ständig neue Flüssiggasterminals gebaut. Dazu investiert man Milliarden in Solar-, Wind- und Wasserkraft, um aus Gas und Öl auszusteigen. Ab 2030, so die Rechnung, soll Chinas Gasbedarf dadurch massiv sinken.
Das wäre auch der vom Kreml gewünschte Fertigstellungstermin der Pipeline.
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