Wie Berlusconi und Salvini die neue Regierung torpedieren
Wahlsiegerin Meloni will regieren, ihre Bündnis-Kollegen wollen mitreden. Das hat auch innerparteiliche Gründe.
09.10.22, 17:15
aus Mailand Andrea Affaticati
Die Frage stellte sich schon vor den Parlamentswahlen am 25. September: Werden Silvio Berlusconi und Matteo Salvini ihre Verbündete Giorgia Meloni regieren lassen?
Und sie scheint nach wie vor aktuell, wenn man beobachtet, wie Salvini als Vorsitzender der nationalpopulistischen Lega und Forza-Italia-Chef Berlusconi trotz seiner 86 Jahre und seiner angeschlagenen Gesundheit Meloni die Minister diktieren wollen. Und das, obwohl die Lega nur 8,7, die Forza Italia 8,1 Prozent der Stimmen erhalten haben, und Melonis Fratelli d’Italia mit 26 Prozent als stärkste Partei aus dem Urnengang heraus ging.
Meloni will ein Kabinett, mit dem sie Brüssel klar signalisiert: Italien wird an den wirtschaftlichen EU-Richtlinien festhalten – zumindest für den Anfang. Die Wahl hat sie gewonnen, nur mitten in einem Sturm, der keine Bewegungsfreiheit erlaubt. Sie versucht, sich an den Richtlinien des scheidenden Premiers Mario Draghi zu orientieren. Es heißt, das Verhältnis zwischen den beiden sei gut, die Medien nennen Draghi sogar ihren "beschützender Lord".
Salvini dürfte das gar nicht gerne sehen. Beinahe täglich meldet er sich mit Forderungen zu Wort.
Er pocht auf eine Neuverschuldung, um Unternehmen und Familien unter die Arme zu greifen. Wenn Deutschland 200 Milliarden Euro dafür auf den Tisch lege, poltert er, muss auch Italien was unternehmen. Meloni ist dagegen, diese Hilfen würden nur den Spekulanten auf dem Gasmarkt helfen.
Innerparteilicher Kampf
Gleichzeitig hält Salvini an einer Pensionsreform fest sowie an einem einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent für alle Einkommen bis 100.000 Euro. Dass Italien dafür kein Geld hat, ist Salvini egal. Der Lega-Chef will und muss in der nächsten Regierung Akzente setzen. In der Partei wächst der Unmut gegen ihn, vor allem in Norditalien, wo das Thema Autonomie an erster Stelle steht. Diese Reform würde den Regionen erlauben, einen Großteil der Steuereinnahmen für sich zu behalten, anstatt sie an Rom zu überweisen. Für den wirtschaftlich schwachen Süden wäre das verheerend.
Und dann ist da noch Salvinis Herzenswunsch: Er will den Job des Innenministers zurück, den er bis 2019 innehatte. Das Problem dabei: Gegen ihn läuft ein Prozess wegen Freiheitsberaubung. 2019 hatte er, trotz humanitärer Notlage, Migranten tagelang nicht von Bord eines Rettungsschiffes gehen lassen.
Staatsoberhaupt Sergio Mattarella wird Meloni wohl nach der ersten Sitzung des neuen Parlaments am 18. Oktober den Regierungsauftrag erteilen. Meloni bewegt sich auf rohen Eiern. Sie muss sich durchsetzen, gleichzeitig aber mit Fingerspitzengefühl agieren. Denn sollte einer der Bündnispartner abspringen, würde sie ohne Regierungsmehrheit dastehen.
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