"Werden Tod erneut besiegen": Ukraine gedenkt Holodomor
Inmitten des seit mehr als neun Monaten dauernden russischen Angriffskriegs hat die Ukraine der verheerenden Hungersnot, des sogenannten Holodomor, vor 90 Jahren gedacht. "Einst wollten sie uns durch Hunger zerstören, nun durch Dunkelheit und Kälte", schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag in seinem Telegram-Kanal im Hinblick auf Russlands Angriffe auf die Energie-Infrastruktur seines Landes.
In den Jahren 1932/33 hatte der damalige Sowjetdiktator Josef Stalin gezielt eine Hungersnot in der Ukraine herbeigeführt. Bis zu vier Millionen Menschen starben. Ebenso wenig wie damals ließen sich die Ukrainer heute von den Russen brechen, betonte Selenskyj. "Wir werden den Tod erneut besiegen." Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, schrieb: "Die Russen werden für alle Opfer des Holodomor bezahlen und für die heutigen Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden."
Auch Österreich erinnert an Hungerkatastrophe
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erinnerten an die Opfer des Holodomor. 1932-33 habe die sowjetische Führung das menschliche Leben und die Menschenwürde völlig missachtet. "Heute sehen wir das Gleiche", sagte Schallenberg nach Angaben des Außenministeriums im Rahmen der neuen Initiative "Grain from Ukraine" ("Getreide aus der Ukraine"), die anlässlich des 90. Jahrestags des Holodomor am Samstag in hybridem Format in Kiew stattfand.
"Wir werden die vor 90 Jahren begangenen Gräueltaten niemals vergessen. Und wir müssen sicherstellen, dass die Verantwortlichen für die Gräueltaten von heute zur Rechenschaft gezogen werden", ergänzte Schallenberg. "Der Einsatz von Hunger als Waffe hat in dieser Welt keinen Platz und darf nicht hingenommen werden." Schallenberg sagte zu, dass sich Österreich an dem Projekt "Grain from Ukraine" mit insgesamt 3,8 Millionen Euro beteiligen werde.
"An der Seite der Ukraine"
Van der Bellen seinerseits betonte: "Wir werden diese schreckliche, von Menschen verursachte Hungersnot, bei der Millionen von Menschen in der Ukraine vom Sowjetregime absichtlich ausgehungert wurden, nie vergessen." Neunzig Jahre später müssten die Ukrainer erneut kämpfen, um ihr Leben, ihre Identität und ihre Freiheit zu bewahren, so der Bundespräsident auf Twitter. "Wir stehen an der Seite der Ukraine!"
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz erinnerte ebenfalls an den Holodomor. "Heute sind wir uns einig, dass Hunger nie wieder als Waffe eingesetzt werden darf", sagte Scholz anlässlich der Initiative "Getreide aus der Ukraine". Scholz erklärte in einem am Samstag verbreiteten Videostatement, Deutschland werde in Abstimmung mit dem Welternährungsprogramm weitere zehn Millionen Euro für Getreidelieferungen aus der Ukraine bereitstellen. Ein von Deutschland gesponsertes Schiff des Welternährungsprogramms sei derzeit auf dem Weg, um ukrainisches Getreide nach Äthiopien zu liefern.
Mehrere Länder haben den Holodomor bereits als Völkermord eingestuft. In der kommenden Woche könnte Deutschland folgen: Am Mittwoch will der Deutsche Bundestag dazu eine Resolution verabschieden.
NEOS fordern Anerkennung als Völkermord
Die NEOS fordern eine solche Verurteilung des Holodomors als Völkermord. "Es wird ein erster wichtiger Schritt sein, wenn Österreich, entsprechend dem schon im Nationalrat eingebrachten Antrag, den Holodomor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkennt", sagte NEOS-Menschenrechtssprecher Niki Scherak am Samstag in einer Aussendung.
"Dem Beispiel des Deutschen Bundestags folgend, sollte Österreich jedoch weitergehen und den Holodomor als das bezeichnen, was er war: Ein Völkermord." In Deutschland will der Bundestag am Mittwoch eine entsprechende Resolution verabschieden.
Die Grünen hatten sich am Freitag für eine Prüfung ausgesprochen. Es sei "zu prüfen, ob der Nationalrat den Holodomor im Großraum der Ukraine nicht wie viele Parlamente anderer europäischer Länder gleichfalls als Völkermord anerkennt", erklärte die außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic in einer Aussendung. "Es gibt große Parallelen zwischen dem damaligen Holodomor und den heutigen Versuchen Russlands, die Ukraine in die Steinzeit zurückzubomben."
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