Die Grüne hat ein Zimmer in ihrem Ministerium in Berlin-Mitte umbenannt: Traditionell hieß das „Bismarck-Zimmer“, in Zukunft soll es „Saal der deutschen Einheit“ heißen. Ein Routineakt einer Ministerin, sollte man meinen. Doch dieser Routineakt ließ die öffentliche Empörung im Augenblick hochkochen. Auslöser waren die Nachkommen des legendären Reichskanzlers und Masterminds der Reichsgründung Deutschlands im Jahr 1871.
In einem offenen Brief wandte sich Familie Bismarck an die Außenministerin. Man sei entsetzt, erklärte der derzeitige Sprecher der Familie, Alexander von Bismarck: Die Außenministerin habe „mangelndes Geschichtsbewusstsein“ unter Beweis gestellt: „Wir sind entsetzt und unfassbar traurig.“
Dabei hatte Baerbock, wie ihr Ministerium in offiziellen Mitteilungen betont, keine Herabwürdigung des einstigen Reichskanzlers im Sinn. Vielmehr ginge es darum, „der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das Auswärtige Amt seine Traditionslinie maßgeblich in der demokratischen Geschichte Deutschlands verankert sieht.“
Das jetzt plötzlich umstrittene Zimmer wurde in Zeiten der DDR vom Politbüro – also den maßgeblichen Entscheidungsträgern – der kommunistischen Partei genützt. Damit soll der neue Name gewissermaßen auch den Sieg der Demokratie über das autoritäre DDR-Regime betonen. Für die Bismarck-Anhänger ist das ein windschiefes Argument. Erstens, so wird betont, habe der Reichskanzler persönlich das Auswärtige Amt begründet. Umso schäbiger sei es daher, ihn jetzt von dort zu verbannen.
Der Wirtschaftsliberale Gabor Steingart, Chefredakteur des viel beachteten politischen Newsletters The Pioneer gibt der Außenministerin dagegen einen süffisanten Rat: „Vielleicht mag sich Außenministerin Baerbock über Weihnachten die Zeit nehmen, in das Leben und Denken eines Otto von Bismarck tiefer einzutauchen. Vielleicht spricht er dann in mäßigender Absicht auch zu ihr.“konrad kramar
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