Weltweit Sorge nach US-Ankündigung zum Ausstieg aus INF-Abkommen
Der von den USA angekündigte Ausstieg aus einem zentralen Abrüstungsabkommen mit Russland hat weltweit Sorge vor einem neuen Wettrüsten hervorgerufen. Wenn US-Präsident Donald Trump seinen Plan in die Tat umsetze, werde dies "die Welt gefährlicher machen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau. Die von den USA geplante Aufkündigung sei "ein schwerer Schlag für das internationale Rechtssystem der Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle ist", hieß es davor in der russischen Mitteilung. In dem Gespräch sei es auch darum gegangen, den 2021 auslaufenden sogenannten New-Start-Vertrag um fünf Jahre zu verlängern.
Am Montagabend hieß es in Moskauer Angaben, dass Russland bereit sein die gegenseitigen Vorwürfe auszuräumen. Das teilte der russische Sicherheitsrat nach einem Treffen der Sicherheitsberater Nikolai Patruschew und John Bolton am Montag mit. Patruschew bekräftigte, es sei wichtig, an dem Vertrag von 1987 festzuhalten, der landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenwaffen verbietet.
Trumps Vorwurf, dass Russland das INF-Abkommen verletze, wies der Sprecher von Präsident Wladimir Putin zurück. Zugleich schloss Peskow ausdrücklich einen atomaren Erstschlag Russlands aus - selbst bei einem drohenden Atomangriff. "Wir werden niemals zuerst jemanden angreifen", sagte er. Russland behalte sich keinesfalls das Recht vor, "als Erster zuzuschlagen" und einen "Präventivschlag" auszuführen.
Raketenbeschränkung
Trump hatte am Samstag angekündigt, aus dem INF-Abkommen mit Russland auszusteigen. Der 1987 geschlossene Vertrag verpflichtet die USA und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion zur Abschaffung aller landgestützten, atomar bestückbaren Mittelstreckenraketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern. Russland und die USA werfen sich gegenseitig vor, gegen das Abkommen verstoßen.
Am Sonntag war Trumps Sicherheitsberater zu Gesprächen in Moskau eingetroffen, die am Montag beginnen sollten. Geplant waren Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und dem Chef des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew. Am Dienstag könnte Bolton auch Präsident Putin treffen. Nach Angaben seines Sprechers hofft Putin auf "Erklärungen" zu Trumps Plänen.
Aus Boltons Ideenkiste?
Der britischen Zeitung "The Guardian" zufolge hat Bolton den US-Präsidenten zum Ausstieg aus dem INF-Vertrag bewogen. Der Hardliner Bolton habe zudem Gespräche über eine Verlängerung des 2021 auslaufenden neuen START-Vertrags blockiert. Das 2010 geschlossene Abkommen sieht eine Reduzierung der nuklearen Gefechtsköpfe auf 1.550 vor. Boltons Besuch in Moskau war schon vor Trumps Ankündigung geplant. Die Gespräche könnten auch der Vorbereitung eines möglichen Treffens zwischen Trump und Putin vor Jahresende dienen.
Trumps Ankündigungen zum INF zielen auch auf China, das nicht Vertragspartner ist. Als Nicht-Unterzeichner ist Peking nicht an das Abkommen gebunden und kann ohne Einschränkungen Mittelstreckenraketen bauen. Die Pekinger Außenministeriumssprecherin Hua Chunying bezeichnete es als "völlig falsch", im Zusammenhang mit den Ausstiegsankündigungen auf China zu zeigen. Die betroffenen Parteien sollten es sich "zweimal überlegen" auszusteigen, sagte Hua. "Ein einseitiger Rückzug wird eine Vielzahl negativer Auswirkungen haben."
Wichtig für europäische Sicherheit
Die EU-Kommission appellierte an die USA und Russland, das INF-Abrüstungsabkommen zu "erhalten". Beide Seiten müssten in einem "konstruktiven Dialog" bleiben, um das Abkommen zu erhalten und für eine "vollständige und nachweisbare" Umsetzung zu sorgen, sagte Kommissionssprecherin Maja Kocijancic in Brüssel. Das INF-Abkommen sei wichtig für die europäische und die weltweite Sicherheit.
Die NATO warf Russland erneut vor, den INF-Vertrag verletzen. Die NATO-Verbündeten hätten "wiederholt" die Sorge geäußert, dass Russland gegen internationale Verpflichtungen verstoße, erklärte die NATO-Sprecherin Oana Lungescu in Brüssel. Dazu gehöre auch der INF-Vertrag. Anlass zu "ernster Sorge" gebe dabei das russische Raketensystem 9M729, sagte Lungescu.
Die Bundesregierung kritisierte die angekündigte Abkehr der USA vom Abrüstungsabkommen INF mit Russland. Der Vertrag zur nuklearen Abrüstung sei "essentiell für die Stabilität und den Frieden in Europa und darüber hinaus", teilte Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal der APA am Montag mit. Eine Abkehr würde "in Folge zu einem Wettrüsten führen, was unbedingt verhindert werden muss." Es sei im Interesse aller, nicht in "die Zeiten des Kalten Krieges zurückzukehren".
Neues Wettrüsten befürchtet
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron appellierte an Trump, den INF-Vertrag nicht aufzugeben. Der Präsident habe Trump bei einem Telefonat "an die Bedeutung des Vertrags insbesondere für die europäische Sicherheit und unsere strategische Stabilität erinnert", erklärte der Elysee-Palast.
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, befürchtet, dass es nach einem Bruch des INF-Abkommens zu einem internationalen Wettrüsten kommen könnte. Es sei dann "zumindest nicht unvorstellbar, dass die russische Seite sich frei fühlt, derartige Raketensysteme in ihrem Machtbereich aufzustellen. Dann könnte uns in Europa eine neue Nachrüstungsfrage bevorstehen", sagte Ischinger im SWR. "Etwas Schlimmeres könnte ich mir nicht vorstellen", fügte er hinzu.
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