"Weihnachtswahl" in Libyen auf Ende Jänner verschoben

"Weihnachtswahl" in Libyen auf Ende Jänner verschoben
Nach Zuspitzung der Sicherheitslage wurde das Votum im allerletzten Moment zunächst abgesagt.

Vor ein paar Wochen, als die Hoffnung auf eine echte und pünktliche Präsidentschaftswahl in Libyen schon zu verblassen begann, veröffentlichte die Zeitung „Al-Wasat“ eine Karikatur mit einem Magier. Ein Mann mit Zauberstab und schwarzem Gewand beschwört darin unter Blitzen eine Wahlurne herauf, darauf das Logo von Libyens Wahlkommission. Unmittelbar vor dem eigentlich geplanten Wahltermin an diesem Freitag steht nun aber fest: Der Urnengang wird auf Ende Jänner verschoben, mindestens.

"Weihnachtswahl" in Libyen auf Ende Jänner verschoben

Saif al-Gaddafi, Sohn des früheren Machthabers, würde gerne Präsident werden

Eigentlich war der 24. Dezember auserkoren worden (das Datum der Unabhängigkeit 1951), um in dem  nordafrikanischen Wüstenstaat ein neues politisches Kapitel aufzuschlagen. 2,8 der rund 7 Millionen Einwohner hatten sich als Wähler registriert, knapp 100 Bewerber Unterlagen für eine Kandidatur eingereicht. Erstmals sollten Präsidentschaftsdebatten stattfinden, geplant unter dem Titel „Libyen entscheidet“.

"Weihnachtswahl" in Libyen auf Ende Jänner verschoben

Warlord Haftar ist einer der mächtigsten Männer des Landes - und will an die Staatsspitze

Aber dann taumelte Libyen doch wieder abwärts. Die politischen Lager und ihre Anhänger trugen ihre Konflikte in dem faktisch zweigeteilten Land vorerst nicht mehr mit Waffen aus, dafür aber auf dem Rücken des erhofften demokratischen Prozesses. Ihr Kampf drehte sich nun um den Ablauf der Wahl, um rechtliche Grundlagen, um Kandidaten. Namen wie die von General Chalifa Haftar, Saif al-Islam al-Gaddafi und Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba zogen Klagen nach sich, eine Liste zugelassener Kandidaten wurde nie veröffentlicht.

Ein Wahlkampf fand gar nicht erst statt.Die drei genannten Kandidaten haben viele Unterstützer hinter sich, aber sie polarisieren das Land. General Haftar hatte mit seinen Truppen versucht, Tripolis gewaltsam einzunehmen. Al-Gaddafi, Sohn von Ex-Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi, wird vorgeworfen, die brutale Niederschlagung von Protesten gegen seinen Vater unterstützt zu haben. Ministerpräsident Dbaiba war entgegen der Vorschriften im Amt geblieben und hatte eigentlich zugesagt, gar nicht anzutreten.

Mit der Wahl war viel Hoffnung verbunden, entsprechend groß war der Druck auch durch andere Länder und die Vereinten Nationen. Bis zum Schluss wollte deshalb wohl niemand die schlechte Nachricht überbringen. Erst am Mittwoch berichteten Medien über das Schreiben eines Parlamentsausschusses, in dem es heißt, der Termin am Freitag sei unmöglich zu halten.

Mit Blick auf die Sicherheitslage wären eine freie und faire Wahl oder Wahlkämpfe ohnehin kaum denkbar gewesen. Zwar gab es seit dem Sommer 2020 keine größeren Gefechte mehr im Land, seit Oktober 2020 gilt eine Waffenruhe. Aber örtliche Milizen haben weiterhin die Kontrolle. Die Tausenden ausländische Kräfte sind noch immer nicht abgezogen. Libyen bleibt eines der gefährlichsten Länder weltweit.

Lage spitzte sich zu

In Tripolis, das monatelang von Truppen unter Befehl Haftars belagert wurde, wird teils wieder mobilisiert. Fotos von bewaffneten Gruppen in Geländefahrzeugen und Barrikaden aus Sand machen die Runde. Die Vereinten Nationen zeigen sich besorgt und sehen das Risiko neuer Gefechte als Vorstufe zum nächsten größeren Konflikt. Schulen und Universitäten wurden vorübergehend geschlossen. Auch der Konflikt um Einnahmen aus den Ölreserven spitzt sich wieder zu.

Bei internationaler Treffen hatten die UN, Deutschland und andere Partner sich bemüht, das Land auf Kurs zu halten. Zwei Konferenzen in Berlin, eine in Paris sowie zuletzt eine in Tripolis zeigten: Beim Thema Libyen kommen hohe und höchste Regierungsvertreter beteiligter Länder an einen Tisch. Diese Konferenzen sind aber keine Garantie für einen (längst beschlossenen) Abzug ausländischer Kräfte oder für Wahlen, die eigentlich ebenfalls längst beschlossenen waren.

Aus Sicht der UN, die nach dem Rücktritt des Sondergesandten Jan Kubis eilig Nachfolgerin Stephanie Williams ins Land beordert haben, wäre die Wahl ein wichtiger Schritt vorwärts. Mit einer Wahl um jeden Preis wächst aber auch die Gefahr, dass unterlegene Konkurrenten ein Ergebnis nicht anerkennen - und dass es zu neuer Gewalt kommt. Und wer will etwa garantieren, dass überall im Land Beobachter zugelassen werden? Und dass Wähler, Kandidaten und Parteien nicht durch bewaffnete Gruppen eingeschüchtert werden?

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