Versucht es Boris Johnson heute schon wieder mit Neuwahlen?
Es wird ein harter Tag für den britischen Premier Boris Johnson: Heute, Mittwoch, tritt das britische Unterhaus zusammen, und die Abgeordneten der Opposition werden schwere Geschütze gegen ihn auffahren. Täuschung der Königin, Unfähigkeit zu regieren, Rücktrittsaufforderungen. Zusätzlich ist der künftige Kurs des Landes für den Brexit nach wie vor unklar. Johnson stellt sich am Nachmittag den britischen Parlamentariern.
Die ersten Stunden der hitzigen Debatte waren geprägt vom britischen Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox, der wiederholt zu Neuwahlen aufrief, was darauf hindeuten könnte, dass die Tories später einen erneuten Neuwahlantrag einbringen könnten.
Zusätzlich wies Cox Forderungen nach einem Rücktritt wegen der schweren Niederlage der Regierung im Streit um die Zwangspause des Parlaments zurück. „Ich akzeptiere, dass wir verloren haben. Wir lagen falsch, was das Urteil des Obersten Gerichts betraf“, sagte er. Aber es sei vertretbar gewesen, zu einem anderen Schluss zu kommen.
Die Richter des obersten Gerichts hatten am Vortag einstimmig die von Premier Boris Johnson verfügte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments für null und nichtig erklärt.
Die Rücktrittsaufforderungen waren aufgekommen, weil Cox der Regierung empfohlen hatte, die Parlamentspause bei Königin Elizabeth II. zu beantragen.
Cox betonte, das Urteil sei ein Akt richterlicher Gesetzgebung. „Der Supreme Court hat neues Recht geschaffen“, betonte er. Von nun an sei es unter der Kontrolle der Richter, ob die Länge der üblichen Parlamentspause (Prorogation) akzeptabel sei, sagte der Generalstaatsanwalt. Das sei vorher nicht der Fall gewesen.
Der Staatsminister und no-deal-Beauftragte Michael Gove will von einer Demütigung Johnsons durch das Höchstgericht nichts wissen. „Worte wie Demütigung sind gute journalistische Übertreibungen“, sagte Gove laut „Guardian“. Vielmehr sieht er Johnson als „Gewinner wie den Boss von Manchester Citiy Pep Guardiola“. Der Premier sei „der geborene Sieger“, meinte er.
Unterdessen hat der ehemalige Tory-Regierungschefs Lord Heseltine scharfe Kritik an seinem Parteifreund Jacob Rees-Mogg geübt. Dieser hatte die Entscheidung des Obersten Gerichts, wonach die Zwangspause für das Parlament illegal sei, als „Verfassungsputsch“ bezeichnet.
Rees-Mogg sollte ein „Pfeiler der Rechtschaffenheit“ sein. Im Vorfeld der Parlamentssitzung hatte Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour Johnson aufgefordert, sich bei der Queen zu entschuldigen.
Boris Johnson hat mit der ursprünglich fünfwöchigen Zwangspause des Parlaments hoch gepokert. Und verloren.
Damit ist der Plan Johnsons, sich bis zum geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Oktober Luft zu verschaffen, gescheitert. Und viel schlimmer für ihn: Das Höchstgericht erklärte die Art und Weise, wie Johnson die Queen dazu gebracht hatte, das Parlament zu schließen, für unrechtmäßig.
Johnson will Neuwahlen
Rasch warf ihm die Opposition vor, die Queen zu belügen – und das gilt den Briten als Affront und könnte den Vorsprung Johnsons in Umfragen schmelzen lassen. Möglich, dass die Oppositionsparteien heute einen erfolgreichen Misstrauensantrag gegen den Premier einbringen. Die darauf folgende Neuwahl wäre jedoch in Johnsons Interesse, könnte sie doch seine Position stärken – er forderte sie gestern selbst.
Der Sprecher des Unterhauses und erklärter Feind Johnsons, Jon Bercow, berief keine Stunde nach der Urteilsverkündung die heutige Sitzung ein und dankte dem Höchstgericht für seine Entscheidung.
Ob die Opposition den Premier bereits heute stürzen wird, ist noch unklar – einige Abgeordnete – allen voran Labour-Chef Jeremy Corbyn – wollten zuvor klarmachen, dass der Brexit verschoben wird, ehe es zu Neuwahlen kommt. Nach dem ehestmöglichen Termin hätte eine neue Regierung vier Tage lang Zeit, zu handeln.
Corbyn kämpferisch
Corbyn gab sich kämpferisch, will Johnson zum kürzest dienenden Premier der Geschichte machen, peitschte seine Anhänger am Labour-Parteitag auf den Wahlkampf ein.
Geht es nach Boris Johnson, hat sich nichts an der Situation geändert: „Ich arbeite an einem guten Abkommen mit Brüssel, und ich bin mir sicher, dass wir ein gutes Abkommen erreichen werden“, sagte er. Er respektiere zwar die Entscheidung des Höchstgerichts, stimme aber persönlich nicht zu, es sei die falsche Entscheidung.
Umfragen sagen ihm einen Wahlsieg voraus, während Labour deutlich verlieren dürfte. Die Partei hat nach wie vor keinen klaren Brexit-Kurs, viele Wähler dürften deswegen zu den Liberalen Demokraten überlaufen. Eine Mehrheit, die sich im Unterhaus klar gegen einen Brexit aussprechen würde, ist nicht in Sicht.
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