„Unsere wohl größte Stärke ist unser Gemeinschaftsgefühl, es ist in der Lage, das Böse zu überwinden, auch wenn dieses durch die Regierenden organisiert und finanziert wird“, formuliert Tusk. Er wirkt ruhig und freundlich, die Botschaft ist klar: Die PiS mit ihrem Parteichef Jaroslaw Kaczynski muss weg, ihre Entscheidungsträger gehören vor Gericht. Dann liest Tusk aus Briefen und Emails von Menschen mit sozialen Nöten vor. Hintergrund: Seine Gegner stellen ihn und seine KO als Partei der sozialen Kälte dar.
Auch das Thema illegale Migration spricht der Oppositionelle an: Das polnische Außenministerium habe vielleicht um die 350.000 Arbeitsvisa illegal ausgestellt. Um davon abzulenken, beschuldige die Regierung jetzt den Europa-freundlichen Politiker ein zweites Lampedusa aus Polen machen zu wollen und unkontrolliert Migranten hineinzulassen.
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Gegen diesen Vorwurf wehrt sich Tusk, indem er auf ein Gespräch mit Angela Merkel im Flüchtlingsjahr 2015 verweist: „Wir können die Migranten an der Grenze nicht aufhalten, es sind zu viele“, habe die damalige deutsche Kanzlerin gemeint. „Wir können sie aber nicht aufnehmen, es sind zu viele“, soll er selbst als Präsident des Europäischen Rats erwidert haben.
Dann rührt er die Werbetrommel für den „Marsch der Millionen Herzen“, bei dem kommenden Sonntag zwei Wochen vor der Wahl Zehntausende Regierungsgegner in Warschau erwartet werden.
Politiker-Verdrossenheit
Für Kamila Gasiuk-Pihowicz, Sejm-Abgeordnete der KO, gilt das Fließen der „EU-Gelder für Landwirtschaft und Infrastruktur“ als das wichtigste Ziel ihrer Partei. Aufgrund der Rechtsstaatlichkeitsprobleme mit der EU drohen dem Land Verluste an die 75 Milliarden Euro Strukturhilfen.
Zwar ist die Arbeitslosigkeit in Minsk Mazowiecki wie in der Umgebung nicht hoch, doch die Jüngeren sind längst in die 50 km entfernte Hauptstadt abgewandert. In dem ausgestorben wirkenden Zentrum mit einigen Holzhäusern gibt es an diesem Tag kaum jemanden, der Tusk Kontra geben mag. Nur die beiden Verkäuferinnen eines Alkohol-Ladens spotten über dessen Auftritt: „Die Politiker versprechen vor den Wahlen sehr viel, aber unsere Erwartungen sind jetzt schon sehr, sehr klein.“ Jens Mattern, Warschau
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