Denn das chaotische Ergebnis zeigt unmissverständlich: Die Wahl hat Netanjahu verloren. Wie geht das trotz ungefähren Gleichstands? Das hat viel mit Netanjahus Omnipräsenz in der israelischen Politik zu tun, der viele Israelis und mögliche politische Partner doch müde sind.
Dunkle Seiten
„Eine Persönlichkeit mit starkem politischen Spürsinn und enormen intellektuellen Fähigkeiten.“ Diese Beurteilung des Langzeitpremiers kommt von Scheli Yechimovic, die als Journalistin und linke Abgeordnete Netanjahu über Jahre aus der Nähe beobachten konnte. Und sie ist unbestritten. So wie seine dunklen Seiten – Betrug, Hetze und Spaltung. Netanjahu drohen drei Anklagen wegen Korruption.
Das Wahlergebnis war kein Linksruck, auch wenn Benny Gantz’ Mitte-Links-Block gleichauf bis vorne lag. Sondern ein Rechtsrutsch. Nach rechts – aber ohne „Bibi“, wie Netanjahu in Israel genannt wird. Denn: Avigdor Lieberman, der schon im Frühjahr nach den Wahlen als Zünglein an der Waage eine neue Regierung Netanjahu verhindert hatte, bot seinen Wählern mehr an als „nur nicht Bibi“.
Er kam mit seiner Beytenu-Partei auf 10 Mandate. Sein Versprechen läuft auf eine Große, auch säkulare Koalition hinaus. Ohne „Bibi“ und ohne Bevormundung durch seine religiösen Partner. Wieweit diese Koalitionsmöglichkeit überhaupt existiert, ist fraglich. Aber sie wird von vielen gefühlt.
Liebermans politischer Spürsinn weitete den Wahlkampf aus. Durch Inhalt! Nicht nur in israelischen Wahlkämpfen ist der seit Langem Nebensache. Die Rückkehr des früheren Verteidigungsministers unter Netanjahu hatte mehr Wirkung auf Wechselwähler als erwartet. Nicht nur die Linke ist „Bibi“-müde. Ich bin der Staat? – Nein, danke.
Was sich noch deutlicher zeigt beim Blick auf den zweiten Hauptgewinner neben Lieberman: Die Arabische Liste war in diesem Wahlkampf nicht Opfer der obligatorischen Hetze, die Netanjahu in der Endphase wieder lostrat. Da ging es gegen Linke, Justiz, Medien, Polizei, die „anderen“ eben, und dann auch gegen „die“ Araber.
Diesmal zog die Masche nicht. Im Gegenteil: Sie erhöhte die Wahlbeteiligung der arabischen Israelis. „Hetze fordert ihren Preis“ lautete der Konter-Slogan.
Zum ersten Mal bewegen sich die arabischen Abgeordneten nicht als Außenseiter im Parlament. Für ihre (bislang) passive Unterstützung soll Benny Gantz jetzt in harter Währung zahlen: Veränderungen am strittigen Nationalstaatsgesetz. Finanzielle Hilfe an arabische Kommunen. Mindestens. „Ohne Bibi“ geht eben nicht ohne sie.
Koalitionsverhandlungen sind eigentlich Netanjahus Element. Schafft er es, in den Linksblock Breschen zu schlagen? Schafft Gantz es, den Likud zur Verabschiedung „Bibis“ zu bewegen? Hinter den Kulissen ist schon von einer neuartigen Rotation die Rede: Netanjahu wird doch wieder Premier in einer Großen Koalition. Und Gantz übernimmt dann. Nach der Anklageerhebung gegen „Bibi“.
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