Visegrad-Ministertreffen aus Protest an Orbáns Kriegspolitik abgesagt

Visegrad-Ministertreffen aus Protest an Orbáns Kriegspolitik abgesagt
Tschechien und Polen wollten wegen Orbáns Ukrainepolitik das Treffen boykottieren. Dieses wurde jetzt ganz abgesagt. Auch Verteidigungsministerin Tanner wäre dabei gewesen.

Aus Protest gegen die Ukraine-Politik von Ungarns nationalkonservativem Regierungschef Viktor Orbán ist das Treffen der Verteidigungsminister der Visegrad-Länder (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) am 30. und 31. März in Budapest abgesagt worden. Das berichtete das Onlineportal 168.hu am Dienstag unter Berufung auf Informationen des slowakischen Verteidigungsministeriums. An dem Treffen hätte auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) teilnehmen sollen.

Eine Sprecherin Tanners und das ungarische Verteidigungsministerium bestätigten die Absage des Treffens. Am Sonntag wird in Ungarn gewählt: Medien bezeichneten die Absage als Niederlage für Orbán.

Bedauern über Orbáns Kriegspolitik

Die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova hatte ihre Teilnahme bereits vergangene Woche abgesagt, später auch der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak. Blaszczak sei enttäuscht wegen der Rhetorik Ungarns hinsichtlich der russischen Invasion in der Ukraine, hieß es. Cernochova hatte ihre Absage mit dem Wahlkampf in Ungarn begründet, an dem sie sich nicht beteiligen wolle. Und sie erklärte: "Ich bedaure, dass das billige russische Öl jetzt für ungarische Politiker wichtiger ist als ukrainisches Blut."

Die Visegrad-Länder Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei hatten sich infolge der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 als gewichtige Staatengruppe auf EU-Ebene profiliert. Jüngst traten aber immer stärkere Differenzen zwischen den vier postkommunistischen Ländern zutage. Im Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit schienen Tschechien und die Slowakei nach Regierungswechseln wenig erfreut über die Konflikte Polens und Ungarns mit der Europäischen Union. Der Ukraine-Konflikt legte wiederum die fundamentalen Differenzen zwischen Budapest und Warschau im Umgang mit Russland offen.

"Putin-Versteher"

Der ungarische Ministerpräsident gilt als "Putin-Versteher" innerhalb der EU. Er hat den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine zwar verurteilt und trägt die in der Folge beschlossenen EU-Sanktionen mit, lässt aber Waffenlieferungen der NATO-Partner über ungarisches Territorium an die Ukraine nicht zu. Orbán argumentiert, dass er sein Land auf diese Weise aus dem vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnenen Krieg heraushalten wolle.

Angespannt ist auch die Situation zwischen Orbán und dem Präsident der Ukraine selbst:  Im Zusammenhang mit der beruflichen Vergangenheit von Wolodimir Selenskij betonte Orbán zuletzt: "Ich bin Jurist, lebe mit dem Wissen, das ich in der Welt des Rechts sammelte. Wer jedoch ein Schauspieler ist, der arbeitet mit diesem Wissen, das er als Schauspieler sammelte."

Die Orbán-Kritik gegen den "Schauspieler" Selenskij bezeichnen Medien als Eigentor, denn Selenskij sei wie Orban Jurist, habe er doch im Jahr 2000 ein Rechtsdiplom an der Nationalen Wirtschaftsuniversität erlangt, schrieb das (regierungskritische) Onlineportal Telex.hu.

Der ukrainische Präsident hatte am Donnerstag in seiner Rede auf dem EU-Gipfel Orbán erneut aufgefordert, endlich eine klare Position zu Russland zu beziehen.

Kommentare