Massen-Proteste gegen US-Präsident Trump: Ist der Widerstand erwacht?

Massenprotest in den USA gegen Präsident Trump - hier in New York
Selbst Republikaner demonstrierten. In den USA wächst die Hoffnung, dass die Massenproteste vom Wochenende die Geburtsstunde des anhaltenden Widerstands gegen den US-Präsidenten sein könnten.

War es ein singuläres Lebenszeichen des "Anti-MAGA"-Amerikas, das seit der Wahl Donald Trumps im November fast wie im Winterschlaf wirkteOder schlug am Wochenende die Geburtsstunde einer neuen Protestbewegung, die kaum 100 Tage nach Amtsantritt des 47. US-Präsidenten deutlich machte, dass sie den 78-Jährigen bei seinem Gewaltmarsch durch die Institutionen stoppen will?

Nach über 1.300 Protestzügen, die die landauf, landab unter dem Motto „Hände weg” in Dutzenden Metropolen von Boston bis Atlanta und Regional-Städten wie Kansas City und Phoenix zwischen 100 und 100.000 Menschen auf die Straße brachten, bleibt die Frage nach  Einschätzungen von Demoskopen und Politik-Analysten vorläufig schwer zu beantworten. 

„Jeder, der glaubt, dass Proteste, Klagen und Prozessieren Präsident Trump abschrecken werden”, zeigte sich seine Sprecherin Karoline Leavitt unbeeindruckt, „muss in den letzten Jahren unter einem Felsen geschlafen haben.”

Was dem Anti-Trump-Lager Mut macht: Der Protest ist, anders als in seiner ersten Präsidentschaft ab 2017, als beim „Marsch der Frauen” allein in Washington DC 500.000 Teilnehmer gegen Trumps Abtreibungspolitik wetterten, diesmal breiter gefächert. 

Mal stand am Samstag die Sorge um geplante Einschnitte in das Sozialversicherungssystem (Medicare, Medicaid) im Mittelpunkt, mal die Attacke gegen das Gesundheitsministerium. Tausende Teilnehmer hielten die De-Facto-Schließung des Bildungsministeriums für fatal. 

Viele Baustellen

Wieder andere Demonstranten wandten sich gegen den allmählich verblassenden Schatten-Präsidenten Elon Musk, den Kahlschlag im Staats-Apparat oder die auf Repression setzende Politik des Weißen Hauses gegen illegale Einwanderer. „Donald Trump hat so viele Baustellen gleichzeitig aufgerissen, dass sich fast alle Amerikaner irgendwo negativ betroffen fühlen”, sagte ein Politik-Forscher der Georgetown-Universität in Washington.

Massen-Proteste gegen US-Präsident Trump: Ist der Widerstand erwacht?

Protest gegen US-Präsident Trump

Ausdruck dieser Tatsache sei, dass sich der Widerstand, bei dem laut Schätzungen der Initiatoren von „Move On” und „Individisible” gut und gerne 1,5 Millionen Menschen teilgenommen haben könnten, nicht auf typische Hochburgen der Demokraten wie New York oder Kalifornien beschränkte. Auch republikanisch dominierte Bundesstaaten wie Florida, Utah, Montana oder Kentucky sahen Tausende wütend-enttäuschte Trump-Wähler, die die Geduld mit ihrem Idol von einst verloren haben.

Skeptiker halten der aufkeimenden Euphorie entgegen, dass „ein einzelnes Demo-Wochenende keinen nachhaltigen Widerstand begründet, der diesen Präsidenten zu mehr als kosmetischen Kurs-Korrekturen veranlassen könnte”, erklärte ein früherer Diplomat, der unter Präsident Barack Obama diente, dieser Zeitung. Seine Sorge ist, dass in Ermangelung national einflussreicher Führungsfiguren, die als Gegengewicht zu Trump fungieren müssten, dezentralen Protest-Netzen das droht, was „Black Lives Matter“ oder „Occupy Wall Street“ erlebten - sie verschwanden in der Versenkung.

Viele Augen richten sich derzeit auf Cory Booker. Der demokratische Senator aus New Jersey hatte jüngst mit einer 25-stündigen Marathon-Rede im Kongress ein weltweit registriertes Zeichen gegen Trump gesetzt. Aber auch er hat kein Rezept parat, wie man den Protest wirksam verstetigen kann. Bei einer Veranstaltung in seinem Heimatbundesstaat New Jersey sagte der 55-Jährige: „Dies muss ein Moment in Amerika sein, in dem wir alle anfangen zu sagen: Was kann ich noch tun?“ Jeder müsse im Sinne der verstorbenen schwarzen Bürgerrechts-Ikone John Lewis „Maßnahmen ergreifen, um Druck auszuüben, damit sich etwas ändert.“

Massen-Proteste gegen US-Präsident Trump: Ist der Widerstand erwacht?

Protest in Dallas, Texas

In Washingtoner Denkfabriken ist man der Ansicht, dass der Kahlschlag in den Ministerien oder die fast vollständige Streichung der Entwicklungshilfe, beides von Elon Musk inszeniert, „kaum als Klammer taugen würde, um über einen langen Zeitraum die Amerikaner gegen Trump zu mobilisieren”. Ebenso die bereits in zwei gescheiterten Amtsenthebungsverfahren thematisierte Demokratie-Feindlichkeit Trumps, der gerade die Justiz mit der Brechstange seinem Willen unterwerfen will, besitze am Ende für die breite Masse wohl nur „bedingt Strahlkraft”. Aber was dann?

Rezession befürchtet

Kann die Wut vieler Amerikaner auf die als erratisch und schädlich empfundene Strafzoll-Politik der Katalysator sein? Für große Beunruhigung sorgt im Weißen Haus jedenfalls die unverkennbare Absetzbewegung eines bis vor Kurzem loyalen Weggefährten. Der texanische Senator Ted Cruz, bis dato einer der größten Liebediener Trumps, befürchtet bei den Kongress-Zwischenwahlen im Kongress in 18 Monaten ein „Blutbad” für die Republikaner, sollte das weltweite Straf-Zoll-Regime des Präsidenten eine Rezession verursachen. 

Cruz` republikanische Senatskollegen Chuck Grassley, Lisa Murkowski, Mitch McConnell, Jerry Moran und Thom Tillis machen sich für ein Gesetz stark, das dem Parlament ein Veto-Recht bei der Verhängung von Zöllen einräumt; ein Affront gegen Trump. Die Abtrünnigen teilen Trumps Mantra nicht, wonach Zölle eine Renaissance der Industrie in den USA auslösen würden und einstweilen wie eine bittere, aber wirksame „Medizin” zu betrachten seien. Sie befürchten die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen und nachhaltigen Schaden für die Wirtschaft.

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