Herbeigewürgte Militärhilfe für die Ukraine kommt hoffentlich nicht zu spät

Die schlechte Nachricht vorweg: Die auf den allerletzten Drücker in Washington durchgedrückte Militär-Hilfe wird den Krieg in der Ukraine aller Voraussicht nach nicht zugunsten Kiews wenden. Sie hilft vielleicht nicht einmal, dauerhaft russische Überlegenheit bei Mann und Material zu kontern. Die gute Nachricht: Die beängstigend Perspektive, dass Wolodimir Selenskij andernfalls bereits im Herbst gezwungen sein könnte, die weiße Fahne zu hissen, ist vorerst abgewendet.
Die von US-Präsident Joe Biden bereits im vergangenen Herbst versprochene militärische Vitaminspritze aus den USA, ohne die die Ukraine längst verloren wäre, stellt hoffentlich eine zuletzt verloren gegangene Patt-Sitution wieder her. Vorausgesetzt, die Ukraine erhält gerade im Bereich der Luftverteidigung robustes Material.
Das kann im besten Fall die Verhandlungsposition der Ukraine bei eines Tages stattfindenden Friedensverhandlungen stärken; aber auch das ist aus heutiger Perspektive nicht gesichert. Die Überwindung der schäbigen Blockade, die drei Dutzend Republikaner teilweise unter passivem Zusehen Donald Trumps aufgebaut hatten, spricht einerseits für die Last-Minute-Selbstheilungskräfte eines durch Polarisierung extrem anfällig gewordenen Systems.
Dem extremistischen Lager der Republikaner müssen endlich Grenzen aufgezeigt werden
Andererseits zeigt die Misere, dass mit einer republikanischen Partei kein Staat zu machen ist, in dem der Schwanz fortlaufend mit dem Hund wackelt; dem extremistischen Lager am rechten Rand müssen endlich Grenzen aufgezeigt werden. Zumal die Versuche, Mike Johnson, den Regisseur des Abstimmungsmarathons und Sprecher des Repräsentantenhauses, durch die eigene Leute absägen zu lassen, nun intensiviert wird. Ausgang offen.
Für Europa stellt die Abstimmung von Washington nur eine Atempause dar. Die Unsicherheit, die von Amerika ausgeht, die Zweifel, ob im Falle eines Machtwechsel zu Gunsten der Republikaner und Donald Trumps, das westliche Verteidigungsbündnis steht, bleiben mindestens zur Amtseinführung des neuen Präsidenten im Januar 2025. Die Europäische Union tut gut daran, die kommenden neun Monate nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Viel mehr Verantwortung wagen, würde Willy Brandt sagen.
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