US-Fleischindustrie: Neustart trotz großer Infektionsgefahr

Ein betroffenes Unternehmen in Colorado
Auch in den USA sind Schlachthöfe Brennpunkte der Pandemie. Jetzt rollt der Betrieb wieder an - mit hohem Risiko.

Mehr als 10.000 Infizierte seit Ausbruch der Corona-Krise: Die US-Fleischindustrie und ihre gigantischen Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe haben sie zu einem Brennpunkt der Pandemie entwickelt. Vor allem im ländlichen Raum, der anders als Großstädte wie New York lange eher wenig betroffen war, sind die Corona-Gefahrenherde. Nach wochenlangen Sperren wegen sich rasch ausbreitender Infektionen nehmen jetzt viele Betriebe die Arbeit wieder - allerdings mit hohem und weitgehend unbekanntem Risiko.

US-Fleischindustrie: Neustart trotz großer Infektionsgefahr

JBS in Colorado, eine der betroffenen Firmen

 

Mantel des Schweigens

Denn die Fleischindustrie geizt mit den Daten der Infizierten in ihren Betrieben und hüllt sich auch, was Vorsorge- und Sicherheit betrifft gerne in Schweigen. So ist es auch für die Behörden schwierig, die Verbreitung in den Betrieben zu erheben. Während die US-Seuchenbehörde kürzlich von 5000 Infizierten in den Betrieben sprach, meinen unabhängige Expertenteams, dass es etwa 17.000 seien, andere schätzen die Zahlen noch weit höher ein. Man wolle einen Imageschaden durch unbegründete Gerüchte vermeiden, meinen auch viele lokale Gesundheitsbehörden in den betroffenen Bundesstaaten. Rechtlich verpflichtet, die Infektionen zu melden, sind die Betriebe jedenfalls nicht.

Viele Tote

Die Fleischereigroßbetriebe befinden sich vor allem in den landwirtschaftlichen Bundesstaaten im Herzen der USALaut einer Langzeitrecherche von USA Today gab es seit Ausbruch der Corona-Krise in den Schlachthäusern des Landes mehr als 10.000 Infektionsfälle, 45 Arbeiter verloren ihr Leben.

US-Fleischindustrie: Neustart trotz großer Infektionsgefahr

Eine Familie trauert um einen verstorbenen Arbeiter in einer Fleischfabrik

 

In einem Betrieb in Iowa wurden allein 730 Fälle gemeldet, das entspricht 58 Prozent der Belegschaft. Auch in Kansas, Oklahoma, Colorado und Texas kam es zu Ausbrüchen mit Hunderten Infizierten. 40 Fabriken mussten laut USA Today zumindest temporär schließen, die New York Times  berichtet von  mehr als 100 Fabriken, in denen Infektionen auftraten.

Kaum Platz

In den riesigen Fleischfabriken arbeiten oft arme Mitglieder der spanischsprachigen Minderheit, der Hispanics,  und Immigranten aus Lateinamerika, die kaum Zugang zu Gesundheitsleistungen haben. Es sind also, wie in Deutschland, die schlechten Arbeitsbedingungen in den Betrieben und die Unterbringung der Arbeiter in Massenquartieren, die die Ausbreitung des Virus begünstigen. 

Großzügige Gesetze

Dicht an dicht stehen Arbeiter an Fließbändern, um in Akkordarbeit Schweine, Hühner und andere Tiere zu zerlegen - in riesigen Mengen. So arbeiten in einer Fleischfabrik in North Carolina 4500 Menschen die täglich 30.000 Schweine schlachten. Die Fleischverarbeitungsindustrie versucht seit Jahren, die Produktion zu steigern. Schlachtbetriebe in den USA dürfen laut Vorgaben des US-Landwirtschaftsministeriums beispielsweise knapp 1.100 Schweine pro Stunde abfertigen.

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