Gefährdet ein jahrhundertealter Grenzkonflikt die Winterflucht?
Flüchtlinge in einer Turnhalle in der thailändischen Provinz Si Sa Ket.
Wenn die Europäer in den Wintermonaten Dunkelheit und Kälte entfliehen wollen, steht Thailand hoch im Kurs – sowohl bei Sonnenanbetern als auch Rucksackreisenden, die gern einen Abstecher nach Kambodscha und Laos machen. Die wieder aufgeflammten Kämpfe an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha verunsichern, ob die Winterflucht wackelt. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, auch auf zivile Einrichtungen geschossen zu haben, mindestens zehn Menschen wurden getötet.
Noch hat kein europäisches Außenministerium eine umfassende Reisewarnung für Thailand oder Kambodscha ausgesprochen; Großbritannien empfiehlt, die Grenze auf eine Entfernung von 50 Kilometern zu meiden. Die wichtigsten Flughäfen, Ferienorte und Städte beider Länder sind geöffnet. Die Gewalt beschränkt sich auf den Nordosten Thailands und den Nordwesten Kambodschas.
Österreichs Außenministerium hat das thailändische Gebiet rund um den Hindu-Tempel Preah Vihear, den Grund für den Grenzkonflikt, mit der Sicherheitsstufe drei ausgewiesen (hohes Sicherheitsrisiko), im Rest des Landes gilt, abgesehen von der Grenzregion zu Myanmar, die Sicherheitsstufe zwei.
Umstrittene Grenzziehung
Der Grenzkonflikt, der seit über 100 Jahren schwelt und bei der Eskalation im Juli mindestens 48 Menschen das Leben gekostet und 300.000 in die Flucht getrieben hat, wurde mit einem von US-Präsident Donald Trump vermittelten Waffenstillstand im Oktober vorübergehend beendet. Doch enthielt er keine Lösung für den eigentlichen Konfliktgrund, nämlich die von der Kolonialmacht Frankreich gezogene Grenze um Preah Vihear. Den hinduistischen Tempel, seit 2008 Unseco-Weltkulturerbe, über 1000 Jahre alt und der Gottheit Shiva geweiht, beanspruchen beide Länder für sich. Er liegt auf einem Gipfel, von dem man kilometerweit über Kambodscha blickt, während hinter einem die Grenze zu Thailand verläuft.
Vertriebene der kambodschanischen Provinz Siem Reap am 10. Dezember 2025.
Weniger Touristen als 2024
Trumps Waffenstillstandsabkommen bot beiden Kriegsparteien attraktive Zollreduktionen auf Textilien und Lebensmittel; im Gegenzug sollten schwere Waffen abgezogen und Beobachter entsendet werden, um den Frieden zu sichern. Trotzdem gab es auf beiden Seiten immer wieder nationalistische Töne, die der jeweils anderen einen Bruch des Waffenstillstands unterstellten und zum Teil Falschmeldungen verbreiteten. Thailand, das militärisch weitaus besser gerüstet ist als sein Nachbar, hat zuletzt Deeskalationsmaßnahmen ausgesetzt, nachdem zwei Soldaten von einer Landmine verletzt wurden, von Kambodscha gelegt worden sein sollen. Phnom Penh wies das zurück.
Preah Vihear liegt etwa 140 Kilometer Luftlinie von der bekannten, kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat entfernt. Bangkok ist 450 Kilometer, Phnom Penh 305 Kilometer entfernt. Abgesehen von den derzeit geschlossenen Landwegen merken die über 28 Millionen ausländischen Touristen, die Thailand zwischen Jänner und November dieses Jahres besuchten, nur wenig von dem Konflikt – im Gegensatz zu den laut Berichten über 500.000 Menschen, die nun fliehen mussten (400.000 in Thailand, 127.000 in Kambodscha).
Die Hoffnung, dass es sich nur um eine kurzzeitige Eskalation handelt, überwiegt: Nicht nur die USA und China üben Druck aus, sondern auch ASEAN, die Regionalvereinigung der südostasiatischen Staaten. Trump wollte noch am Mittwoch mit beiden Ländern Kontakt aufnehmen und einmal mehr "vermitteln".
Dass der Tourismus in Thailand heuer trotzdem zurückgegangen ist, nämlich um 7,5 Prozent im bisherigen Jahr 2025 im Vergleich zu 2024, wird viel mehr der schlechten, wirtschaftlichen Lage sowie den Extremwetterereignisse, die Thailand vermehrt fest im Griff haben, zugeschrieben. Thailand erlebte zuletzt die schwersten Überschwemmungen des letzten Jahrzehnts, mindestens 162 Menschen kamen ums Leben.
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