Evakuierung der Rebellengebiete Aleppos beendet

Ein Mann wärmt ein junges Mädchen mit einer Decke in einer dunklen Umgebung.
Seit Beginn der Transporte vor rund einer Woche verließen 35.000 Menschen den Ostteil der umkämpften nordsyrischen Stadt. Der syrische Präsident Bashar al-Assad rühmt sich, Russland und den Iran für die Eroberung der Stadt.

Die letzten Kämpfer und Zivilisten haben die verbliebenen Rebellengebiete der lange umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo verlassen. Das berichteten mehrere regierungstreue Medien und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstagabend.

Die Endphase sei erreicht, sagte zuvor der UNO-Nothilfekoordinator für Syrien, Jan Egeland, am Donnerstag in Genf. Seit dem Beginn der Transporte vor einer Woche hätten etwa 35.000 Menschen die Rebellengebiete verlassen. Syriens Präsident Bashar al-Assad rühmte den Erfolg der Regierungstruppen in Aleppo als einen Sieg auch für die syrischen Verbündeten Russland und den Iran.

"Wettlauf gegen Zeit und Winter"

Verschneite Ruinen einer zerstörten Stadt unter einem grauen Himmel.
A picture shows ruins covered in snow in the town of Maaret al-Numan, in Syria's northern province of Idlib, on December 21, 2016. Rebels and civilians who have sought refuge in the opposition-held province of Idlib, most recently from second city Aleppo, say they are suffering from skyrocketing prices and overpopulation. At least 25,000 people, including rebel fighters, have left east Aleppo since last week under an evacuation deal that will see the city come under full government control. / AFP PHOTO / Mohamed al-Bakour

"Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen den Winter, um den Menschen eine Unterkunft, Wärme und Unterstützung zu bieten", sagte Egeland. Fünf Jahre Krieg hätten bei den Betroffenen Spuren hinterlassen. Egeland forderte vollen und umfassenderen Zugang zu den bisherigen Rebellengebieten in Ost-Aleppo.

Die syrische Armee und ihre Verbündeten hatten in den vergangenen Wochen den allergrößten Teil der von oppositionellen Milizen beherrschten Viertel Aleppos eingenommen. Regierung und Regimegegner einigten sich daraufhin auf den Abzug der Kämpfer und Zivilisten aus den letzten Rebellengebieten, die von dort in Bussen und Autos abzogen.

Eine Karte von Aleppo, die die Kontrolle verschiedener Truppen zeigt.
Übersichtskarte Raum um Aleppo mit von Assad-Truppen, Rebellen, Kurden und IS kontrollierten Gebieten GRAFIK 1341-16, 88 x 70 mm

Im Gegenzug durften auch rund 1.000 Menschen die von Rebellen belagerten Orte Foua (Fua) und Kefraya (Kafraja) im Nordwesten Syriens verlassen. Dort wohnen vor allem Schiiten. Die Evakuierung der beiden Orte sei fast abgeschlossen, sagte Egeland.

Rund 1500 Menschen noch in Ost-Aleppo

Mehrere Fahrzeuge des Syrischen Arabischen Roten Halbmonds stehen auf einer Straße in Aleppo.
Staff of the Syrian Red Crescent wait on the road in a rebel-held territory near Rashidin, west of Aleppo, on December 22, 2016 during an evacuation operation. Convoys carried opposition fighters out of the last rebel pocket of Aleppo in the final phase of an evacuation clearing the way for Syria's army to retake the city. As part of the Aleppo evacuation deal, it was agreed that some residents would be allowed to leave Fuaa and Kafraya, two Shiite-majority villages in northwestern Syria that are under siege by the Sunni Muslim rebels. / AFP PHOTO / Omar haj kadour

Wie lange die Transporte noch dauern werden, blieb zunächst offen. Die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Ingy Sedky, sagte, die Transporte könnten am Donnerstag oder Freitag abgeschlossen werden. Die radikal-islamische Rebellengruppe Ahrar al-Sham teilte mit, in Ost-Aleppo seien noch rund 1.500 Menschen.

Die Evakuierung war seit ihrem Beginn ein Nervenspiel. Wegen Unstimmigkeiten wurde sie mehrfach ausgesetzt. Augenzeugen und Aktivisten berichteten, Menschen hätten bei eisiger Winterkälte mehr als 36 Stunden ohne Essen und Trinken in Bussen ausharren müssen. Wegen einer monatelangen Blockade war die humanitäre Lage in Ost-Aleppo Hilfsorganisationen zufolge ohnehin katastrophal.

Tausende Vertriebene aus der Stadt wurden in anderen von Rebellen kontrollierten Gebieten vorläufig in Zelten, Moscheen und Schulen untergebracht. Es sei aber auch schwierig, sie dort mit Wasser zu versorgen und vor der Kälte zu schützen, erklärte die Syrian American Medical Society (SAMS).

Bashar al-Assad rühmt sich, Russen und den Iran

Ihren Sieg über die Rebellen in der Wirtschaftsmetropole hatten die erschöpften syrischen Truppen mit Hilfe der russischen Luftwaffe und vom Iran ausgerüsteter schiitischer Milizen erkämpft. Präsident Bashar al-Assad gestand dies am Donnerstag freimütig ein.

Wladimir Putin und Baschar al-Assad gehen durch einen prunkvollen Korridor.
Russian President Vladimir Putin (R) and Syrian President Bashar al-Assad enter a hall during a meeting at the Kremlin in Moscow, Russia, October 20, 2015. Alexei Druzhinin/RIA Novosti/Kremlin/via REUTERS ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS EDITORIAL USE ONLY. SEARCH "ALEPPO TIMELINE" FOR THIS STORY

"Die Befreiung Aleppos vom Terrorismus ist ein Sieg nicht nur für Syrien, sondern für jeden, der derzeit zur Bekämpfung des Terrorismus beiträgt, besonders für den Iran und Russland", sagte er in Damaskus nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. "Gleichzeitig ist es ein Rückschlag für alle Länder, die dem syrischen Volk feindlich gesinnt sind." Syriens Regime bezeichnet generell alle bewaffneten Gegner als Terroristen, auch gemäßigtere Gruppen.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte in Moskau, in Syrien habe die Regierungsarmee mit Russlands Hilfe mehr als 1.000 Ortschaften zurückerobert. Damit sei der internationale Terrorismus zurückgeworfen worden. Der Zerfall Syriens sei abgewendet worden. "Die Kette 'bunter Revolutionen', wie sie in Nahost und Afrika propagiert wurden, wurde unterbrochen", sagte er.

Krieg geht weiter

Mit dem Ende der weltweit medial begleiteten Kämpfe in Aleppo ist der Syrien-Krieg nicht zu Ende. Das Land ist weiter in Herrschaftsgebiete der Regierung, der Kurden, diverser Rebellen und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geteilt. Türkische Truppen und verbündete Milizen rücken in blutigen Kämpfen gegen den IS und gegen die Kurden vor. Ein US-geführtes Bündnis fliegt Angriffe gegen die Extremisten.

Die ehemals wichtige Handelsmetropole Aleppo im Norden Syriens ist ein Symbol des seit mehr als fünf Jahren tobenden Kriegs in dem Land. Seit Mitte 2012 war die Stadt zwischen dem Regime von Machthaber Bashar al-Assad im Westen und verschiedenen Rebellengruppen im Osten geteilt. Seit diesem Sommer hat sich die Lage immer weiter zugespitzt.

Juli 2016: Syrische Regierungstruppen und ihre Verbündeten kappen bei einer Offensive die letzte Nachschubroute in die von Rebellen gehaltenen Stadtviertel und schneiden bis zu 300.000 Menschen von der Außenwelt ab.

August 2016: Rebellengruppen unter Führung von Islamisten durchbrechen den Belagerungsring und kämpfen einen neuen Versorgungskorridor in den Ostteil Aleppos frei.

September 2016: Syriens Armee und ihre Verbündeten schneiden mit russischer Luftunterstützung die neue Versorgungsroute ab und rücken im Süden Aleppos vor. Eine zwischen den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe scheitert eine Woche nach ihrem Beginn. Syrische und russische Luftwaffe fliegen die heftigsten Angriffe auf Ost-Aleppo seit Ausbruch des Konflikts 2011.

Oktober 2016: Der UN-Syriengesandte Staffan de Mistura warnt vor der völligen Zerstörung Ost-Aleppos bis Weihnachten. Rebellen lehnen das Angebot ab, während einer Feuerpause die Stadt zu verlassen. Sie versuchen mit einem massiven Raketen- und Granatenbeschuss des Westteils, ihre Belagerung durch Regierungstruppen zu durchbrechen.

November 2016: Syriens Armee erobert die von Aufständischen vorübergehend kontrollierten Gebiete im westlichen Aleppo zurück. Regimetruppen nehmen nach heftigen Kämpfen und Luftangriffen den kompletten Norden der von Rebellen kontrollierten Stadtviertel ein. Aktivisten sprechen von der "schwersten Niederlage der Rebellen, seit sie Aleppo 2012 eingenommen haben". Immer mehr Menschen sind auf der Flucht vor Zerstörung und Tod.

Dezember 2016: Regierungstruppen und ihre Verbündeten bringen immer größere Teile der Rebellengebiete in Ost-Aleppo unter ihre Kontrolle. Zu Zehntausenden fliehen Zivilisten aus den umkämpften Vierteln. Die Rebellen einigen sich mit dem Regime auf einen Abzug, der jedoch am 14. Dezember scheitert.

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