Explosionen in Lugansk - doch Russland schlägt zurück
Heftige Explosionen in der prorussisch kontrollierten Stadt Lugansk – die Zahl der Opfer ist derzeit noch unklar. Es dürfte aber kein Zweifel daran bestehen, welches Gerät am Dienstagabend die Raketen abgefeuert hatte, die diesen verheerenden Schaden anrichteten: Einer der acht im Einsatz befindlichen HIMARS-Raketenwerfer (High Mobility Artillery Rocket System).
Diese aus den USA stammende mobile Raketenartillerie hat seit Anfang Juni bereits Dutzende russische Lager, aber auch Stellungen hochrangiger Offiziere getroffen. Sie kann Ziele in bis zu 85 Kilometer Entfernung bis auf wenige Meter genau treffen – und vergrößert damit den Radius der ukrainischen Artillerie massiv. Dazu kommt, dass der HIMARS seine Raketen sehr präzise abfeuert, während russische und ukrainische Mehrfachraketenwerfer eine hohe Streuung aufweisen.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die russischen Streitkräfte nach wie vor an drei Fronten massive Bombardements entfesseln. Eine kolportierte ukrainische Gegenoffensive (etwa mit einer Million Soldaten) hätte dort unter den derzeitigen Umständen keine Aussichten, das Panzergelände im Raum Cherson (südliche Ukraine) zu dominieren. Derzeit dürfte es an gepanzerten Fahrzeugen, Panzern und vor allem Luftüberlegenheit fehlen.
Sollte sich dies ändern und kämen mehr HIMARS zum Einsatz und hätte die Ukraine eine dementsprechende Ausrüstung, könnten sich diese Raketenwerfer als nützlich erweisen, um das Gefechtsfeld abzuriegeln und somit die russischen Kräfte vor Ort vom Nachschub abzuschneiden.
Donezk im Visier Russlands
Die russischen Streitkräfte haben aber vor allem in Donezk die Initiative. Der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, sagte, es gebe einen beträchtlichen Aufmarsch russischer Truppen in der Region, vor allem im Gebiet von Bachmut und Siewersk sowie Slowjansk und Kramatorsk. An der gesamten Frontlinie hielt der Beschuss an. Russische Truppen versuchten nach wie vor den Durchbruch, aber würden zurückgedrängt, sagte Kyrylenko. Laut Agentur Tass haben russische Streitkräfte Siewersk bereits eingekesselt.
Auch die südukrainische Stadt Mykolaiw wurde am Dienstag wieder von russischen Truppen angegriffen. Dabei wurden nach Angaben des Gouverneurs der gleichnamigen Region mindestens zwölf Menschen verletzt. Geschosse von Mehrfachraketenwerfern seien in zwei medizinische Einrichtungen und in Wohngebäude eingeschlagen, teilte Gouverneur Witali Kim auf Telegram mit. Mykolaiw liegt westlich von Cherson und ist der letzte größere Ort vor der westukrainischen Hafenstadt Odessa. Die Ukraine fürchtet, dass Russland auch dort die Kontrolle übernehmen will. In dem Fall wäre die Ukraine komplett von der Küste des Schwarzen Meeres abgeschnitten.
Millionen auf der Flucht
In dem größten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg wurden bereits Tausende Menschen getötet. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind auf der Flucht vor den Kämpfen. Mehr als 5,5 Millionen von ihnen sind ins Ausland geflohen. Europa bangt angesichts des Krieges um seine Energiesicherheit, da Russland die Lieferung von Gas eingeschränkt hat. Russland spricht von einem "militärischen Sondereinsatz" in der Ukraine, der der Entmilitarisierung und Denazifizierung zum Ziel habe. Der Westen und die Ukraine dagegen werfen Russland einen nicht provozierten Angriffskrieg und Kriegsverbrechen vor.
Die prorussischen Separatisten der selbsternannten Volksrepublik Donezk im Osten der Ukraine haben am Dienstag in Moskau ihre diplomatische Vertretung eröffnet. Die Repräsentanz wurde, begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot, in der Innenstadt von Moskau in der Nähe westlicher Vertretungen eingeweiht.
Lage "drastisch verschlechtert"
Die Chefin des "Außenministeriums" der Volksrepublik, Natalja Nikanorowa, sagte, die Lage vor Ort habe sich in den vergangenen Tagen "drastisch verschlechtert", so dass lediglich eine nüchterne Zeremonie zur Eröffnung der Vertretung vorgesehen sei.
Was eine Eingliederung in den russischen Staat angehe, "haben wir es nicht eilig", sagte Nikanorowa. Hauptziel sei es, "die Republik zu befreien". Danach werde es eine Volksabstimmung geben, "und wir werden sehen, was der Wunsch des Volkes ist". Ranghohe russische Vertreter waren nicht anwesend.
In der Kleinstadt Tschassiw Jar im Osten der Ukraine ist die Zahl der Toten nach einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus auf 45 gestiegen. Neun Menschen seien seit dem Angriff am Samstag aus den Trümmern gerettet worden, teilte der Zivilschutz in der Region Donezk am Dienstag mitteilte. Kiew spricht von einem zivilen Wohngebäude. Die russische Armee behauptet hingegen, ein militärisch genutztes Gebäude attackiert zu haben. Unabhängig lassen sich die Angaben kaum überprüfen.
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