Russische Langstreckenrakete zerstört Waffenlager

Russische Langstreckenrakete zerstört Waffenlager
Hauptaugenmerk der russischen Angriffe liegt weiterhin auf dem Osten der Ukraine.

Tag 111 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:

Russland hat die Region Tschernihiw im Norden der Ukraine nach eigenen Angaben mit Langstreckenraketen angegriffen. In der Nähe des Ortes Pryluky sei ein Waffen- und Munitionslager durch Kalibr-Raketen zerstört worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Dienstag in Moskau. Auch auf ukrainische Einheiten und Waffenlager in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk seien Raketen abgefeuert worden.

Von dem Beschuss auf Pryluky hatte die ukrainische Seite bereits am Montag berichtet und mehrere Dörfer im Umkreis evakuieren lassen. Russland hat seine Bodentruppen aus dem Gebiet Tschernihiw - ebenso wie aus dem Umkreis von Kiew - seit Ende März abgezogen und konzentriert sich derzeit auf Kampfhandlungen im Osten.

Selenskij: Brutalste Schlacht der europäischen Geschichte

Seit Wochen wird Sjewjerodonezk heftig umkämpft. Der Kampf um die mittlerweile von russischen Streitkräften eingekesselte Stadt im Osten der Ukraine ist mitentscheidend über die Herrschaft über den gesamten Donbass und fällt entsprechend intensiv und blutig aus. 

Generell werde die Schlacht um das Donbass-Gebiet nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij als eine der brutalsten in die europäische Geschichte eingehen. "Für uns ist der Preis für diese Schlacht sehr hoch. Es ist einfach beängstigend“, sagt Selenskij in seiner täglichen Videobotschaft am Montagabend und forderte einmal mehr Waffenlieferungen aus dem Ausland.

"Werden unsere Krim befreien"

Er versprach darin seinen Landsleuten auch die Rückeroberung der annektierten Halbinsel Krim. "Die ukrainische Flagge wird wieder über Jalta und Sudak, über Dschankoj und Jewpatorija wehen“, so der ukrainische Präsident in Kiew. "Natürlich werden wir auch unsere Krim befreien."

Russland hatte die Halbinsel im Schwarzen Meer 2014 militärisch besetzt, als die Ukraine nach einem Machtwechsel geschwächt war und keinen Widerstand leisten konnte. Dann wurde ein international nicht anerkanntes Referendum abgehalten und die Krim Russland angegliedert. Selenskij hat immer eine Rückkehr der Halbinsel verfochten, dies aber selten so nachdrücklich als Kriegsziel formuliert.

Sjewjerodonezk eingekesselt

Sjewjerodonezk ist nach der Zerstörung der dritten und letzten Brücke über den Fluss Siwerskyj Donezk nahezu vollständig von russischen Truppen eingekreist. "Es ist jetzt leider völlig unmöglich, in die Stadt zu fahren oder etwas in die Stadt zu liefern", sagte am Montag Gouverneur Serhiy Gaidai. "Eine Evakuierung ist unmöglich." Nur das ukrainische Militär habe noch einen begrenzten Zugang zur Stadt.

Die Lage der ukrainischen Truppen sei "schwierig, aber unter Kontrolle", obwohl 70 Prozent der Stadt von Russland kontrolliert würden, sagte er dem Sender Radio Free Europe/Radio Liberty. "Sie haben die Möglichkeit, Verwundete in Krankenhäuser zu bringen", meinte Gaidai. "Es ist schwierig, Waffen oder Reserven zu liefern. Schwierig, aber nicht unmöglich." Nach ukrainischen Angaben halten sich Hunderte von Zivilisten in Bunkern der Chemiefabrik Asot in der Stadt auf.

Russische Fortschritte in Charkiw

Dem britischen Verteidigungsministerium zufolge haben die russischen Invasionstruppen wohl erstmals seit Wochen kleinere Fortschritte im Bereich um die Millionenstadt Charkiw gemacht. Die hauptsächlichen Angriffsbemühungen seien aber weiterhin auf den Kessel von Sjewjerodonezk gerichtet, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg am Dienstag.

Nach Einschätzung britischer Regierungsexperten passt sich Russlands Industrie dank Finanzierung durch den Kreml langsam an die Nachfrage durch den Ukraine-Krieg an. "Die Industrie könnte aber Schwierigkeiten haben, viele dieser Bedürfnisse zu decken, zum Teil wegen der Sanktionen und eines Mangels an Expertise", so die Mitteilung. Schwierigkeiten, Material zu ersetzen, dürfte Moskau vorwiegend im Bereich hochwertiger Optik und fortschrittlicher Elektronik haben, hieß es weiter.
 

Kontakt halten

Der Präsident rief die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine auf, den Kontakt in die russisch besetzten Landesteile, nach Donezk oder ins Gebiet Charkiw zu halten. Auch diese Gebiete würden wieder befreit, kündigte er an. "Sagen Sie ihnen, dass die ukrainische Armee auf jeden Fall kommen wird!"

Von Deutschland forderte Selenskij in einem Interview mit dem deutschen Sender ZDF vor dem möglichen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz eindeutige Unterstützung. "Wir brauchen von Kanzler Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt. Er und seine Regierung müssen sich entscheiden", so Selenskij am Montagabend "heute-journal". Deutschland dürfe keinen Spagat zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland versuchen.

Selenskij sagte weiter, er wünsche sich, dass der deutsche Bundeskanzler persönlich die EU-Mitgliedschaft der Ukraine unterstütze. Er erwarte, dass die Europäische Union seinem Land noch im Juni den Status eines Beitrittskandidaten zuerkenne

Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi könnten Mitte der Woche die Ukraine besuchen. Eine offizielle Terminangabe steht aber noch aus. Das Verhältnis zwischen Berlin und Kiew war zu Beginn des Krieges stark abgekühlt. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war in der Ukraine nicht willkommen, weil Kiew ihm seine moskaufreundliche Politik vorhielt. Hinzu kam die Kontroverse um Ausmaß und Schnelligkeit der Unterstützung Deutschlands für das angegriffene Land.

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