Ukraine-Konferenz: Wo sich Österreich und 80 andere Staaten einig sind

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Nicht alle Länder unterschreiben die Abschlusserklärung. Grund dafür ist vor allem die Wortwahl. Einige Länder würden sich etwa zieren, Russland als "Aggressor" zu bezeichnen.

Bei der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz haben 81 Länder und die EU am Sonntag eine gemeinsame Abschlusserklärung unterstützt. Österreich ist unter den zustimmenden Staaten, ebenso Deutschland und die USA. Dazu kommen die EU, das EU-Parlament und der Europäische Rat. Nicht dabei sind laut einer beim Gipfel veröffentlichten Liste Bahrain, Brasilien, Kolumbien, der Vatikan, Indien, Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Thailand und die VAE.

Die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs hätten sich nicht auf ein klares Vorgehen zur Einbeziehung Russlands in einen Friedensprozess einigen können. Es habe keine Einigkeit geherrscht in der Frage, wann genau und wie künftig Russland einbezogen werden solle, sagte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd nach Angaben der Nachrichtenagentur sda zum Abschluss der Konferenz.

Der Friedensgipfel für die Ukraine in der Schweiz mit mehr als 90 Staaten ging am Sonntag zu Ende. Das Treffen, an dem auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) teilnahm, soll einen Friedensprozess einleiten, in den langfristig auch Russland eingebunden werden soll. Nehammer nannte die fehlende Einstimmigkeit "nicht dramatisch", denn eine gemeinsame "Grundhaltung" sei vorhanden.

Russland als "Aggressor"

Die Erklärung würden "wohl nicht alle unterschreiben", sagte der Kanzler vor dem Abschluss am Rande des Gipfels zu Medien. Grund dafür sei vor allem die Wortwahl. Einige Länder würden sich etwa zieren, Russland als "Aggressor" zu bezeichnen. Die Gespräche bei der Konferenz hätten Nehammer "positiv motiviert", er spüre viel gegenseitigen Respekt.

Abschlusserklärung bei Friedenskonferenz für Ukraine

Kaum jemand habe es zu Beginn des Krieges für möglich gehalten, dass sich die Ukraine so lange halte. Nehammer deutete das Treffen in der Schweiz unabhängig von einer Einigung als "großes Zeichen" und "Erfolg": "Das Schicksal der Ukraine wird gesehen." Betroffen seien schließlich nicht nur europäische Länder: "Es gibt Verbündete überall in der Welt für den Frieden."

Wichtige Themen waren etwa der Schutz des russisch besetzten AKW Saporischschja, der Verzicht auf den Einsatz von Atomwaffen, Getreideexporte und Gefangenenaustausch. Man habe klar kommuniziert, dass es keinen Frieden ohne Russland gebe. Der Wunsch sei, eine Folgekonferenz mit konkreten Verhandlungen zu organisieren, sagte Nehammer. Details dazu könne er aber noch nicht abschätzen.

Dass die Gipfelteilnehmer am Sonntag einen Termin oder auch nur einen ungefähren Zeitpunkt ins Auge fassen, gilt als unwahrscheinlich. Die Gastgeber hoffen aber, dass eine weiterführende Konferenz noch in diesem Jahr beschlossen wird. "Als internationale Gemeinschaft können wir dazu beitragen, das Terrain für direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien vorzubereiten", sagte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd.

Keine alternativen Friedenspläne

Die Abschlusserklärung der Ukraine-Konferenz sei vollständig und "ausgeglichen", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zu Journalisten. Die Positionen der Regierung in Kiew seien berücksichtigt. Es seien keine alternativen Friedenspläne auf dem Gipfel-Treffen diskutiert worden. Die Ukraine werde nicht zulassen, dass Russland in der Sprache von Ultimaten rede.

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Wie weit eine Friedenslösung entfernt ist, hatten Äußerungen aus Moskau unmittelbar vor dem Gipfel deutlich gemacht. Der russische Präsident Wladimir Putin nannte seine Bedingungen für Verhandlungen, darunter der vollständige Verzicht der Ukraine auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim - etwas mehr als ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets. Putin schließt russischen Angaben zufolge Gespräche mit der Ukraine nicht aus. Es seien aber Garantien nötig, um die Glaubwürdigkeit etwaiger Verhandlungen zu gewährleisten, zitierten russische Medien Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Sonntag.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris wies Putins Forderung als abwegig zurück. "Wir müssen die Wahrheit sagen. Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf", sagte sie - und sicherte der Ukraine anhaltende Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zu. "Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist."

In dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf für die Abschlusserklärung wird Russland für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht, der großes menschliches Leid und Zerstörung gebracht habe und zur Achtung der territorialen Integrität der Ukraine ermahnt. Zudem wird gefordert, dass Kiew die Kontrolle über das Atomkraftwerk Saporischschja und den Zugang zu seinen Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer zurückerhält. Alle ukrainischen Kriegsgefangenen müssten freigelassen und aus der Ukraine deportierte Kinder in ihre Heimat zurückgebracht werden. Eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine im Zusammenhang mit dem laufenden Krieg sei unzulässig.

Chance für die Diplomatie

Die Initiative für den Gipfel war von der Schweizer Regierung und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgegangen. "Wir haben es geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben", sagte Selenskyj vor der Eröffnung der Friedenskonferenz.

Die Schweizer Gastgeber hatten sich monatelang darum bemüht, möglichst viele Staaten zur Teilnahme zu bewegen. 160 wurden eingeladen, mehr als 90 sagten zu - sie sind zu einem großen Teil mit Staats- und Regierungschefs vertreten.

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