Ukraine erlebt die heftigsten Angriffe seit Kriegsbeginn

Aftermath of a Russian missile strike in Kryvyi Rih
Der heutige Angriff auf die Region Kiew war nach Angaben des ukrainischen Militärs einer der schwersten seit Beginn des Krieges.

Russland hat am Freitag zahlreiche Regionen der Ukraine mit den schwersten Raketenangriffen seit Wochen überzogen, das ukrainische Militär spricht gar von den heftigsten Angriffen seit Kriegsbeginn am 24. Februar.

In weiten Teilen des Landes herrschte Luftalarm. Medien sprachen von etwa 70 Raketenangriffen auf die Ukraine.

Raketenbeschuss meldeten zahlreiche Regionen, darunter Saporischschja, Mykolajiw, Winnyzja, Poltawa, Dnipropetrowsk und Charkiw.

Demnach nahm Russland erneut besonders die Energieinfrastruktur ins Visier. Seit Oktober hat das russische Militär nahezu wöchentlich die zivile Energieinfrastruktur angegriffen. Für die Menschen bedeutet das Mitten im Winter Strom-, Heizungs- und Wasserausfälle.

Zwar konnte einiges wieder repariert werden, doch mit jedem Angriff wird das schwieriger. Landesweit kommt es deshalb auch zu Notabschaltungen von Stromanlagen, verlautete aus dem Präsidentenbüro.

Kein Licht, keine Heizung, keine Wasser

Der Bürgermeister der Stadt Charkiw, Ihor Terechow, berichtete von mehreren Explosionen. Die Infrastruktur in der ostukrainischen Stadt ist enorm beschädigt worden. „Es gibt kolossale Schäden an der Infrastruktur, vor allem am Energiesystem“, teilt er auf Telegram mit.

An die Bevölkerung der zweitgrößten Stadt des Landes gerichtet schreibt er: „Ich bitte Sie um Geduld mit dem, was jetzt passiert. Ich weiß, dass es in Ihren Häusern kein Licht, keine Heizung, keine Wasserversorgung gibt.“

Nicht nur in Charkiv ist der Strom komplett ausgefallen: Ähnliches galt für die kleinere Stadt Poltawa im Landeszentrum und auch aus der nordöstlichen Region Sumy wurden Stromausfälle gemeldet, die durch Raketenangriffe verursacht worden seien.

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Spital in Petropavlivka in Charkiv

In der Schwarzmeerregion Odessa im Süden des Landes wurde nach Behördenangaben ebenfalls kritische Infrastruktur getroffen. 

In der südostukrainischen Industriestadt Krywyj Rih wurden den Behörden zufolge zwei Menschen infolge der Raketenangriffe getötet und fünf verletzt, als ein Haus getroffen wurde. Zahlreiche Gebiete meldeten Stromausfälle.

Kiew

Auch in der Hauptstadt Kiew gab es nach dem Einsatz der Flugabwehr Berichte über Explosionen. In der Region Kiew habe die Luftabwehr 37 von 40 abgefeuerten russischen Raketen abgeschossen, sagt Mychailo Schamanow, der Sprecher der Militärverwaltung in der Hauptstadt Kiew, im ukrainischen Fernsehen. 

Bürgermeister Vitali Klitschko bestätigte die Angriffe im Nachrichtendienst Telegram und rief die Menschen auf, Schutz zu suchen.

Die Metro in der Hauptstadt stellte den Verkehr ein, sie diente als Bunker. Auf Bildern ist zu sehen, wie Hunderte Menschen in den Stationen Schutz suchen.

In Kiew fielen Licht, Wasser und Heizung aus, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur aus der Drei-Millionen-Metropole berichtete.

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Die Präsidialverwaltung in Kiew teilte mit, dass landesweit auf Notversorgung im Energiebereich umgestellt werde. Sie rief die Menschen, die oft in Kälte und Dunkelheit sitzen, wegen der seit Wochen laufenden Angriffe, zu Verständnis auf.

Es gebe Schutz- und Wärmestellen im Land, wohin sie kommen könnten. Notfalldienste würden zudem daran arbeiten, die getroffenen und beschädigten Energieanlagen zu reparieren.

Ukraine rechnet für Jänner mit neuer russischer Offensive

Die ukrainische Militärführung rechnet bereits im Januar mit einer neuen russischen Offensive, in deren Rahmen auch ein zweiter Versuch zur Eroberung der Hauptstadt Kiew geplant sei.

Der Vormarsch könne vom Donbass im Osten des Landes, vom Süden oder dem benachbarten Belarus ausgehen, sagten die Generäle Walery Saluschnij (Bild unten) und Olexandr Syrskij in Interviews mit dem englischen Wirtschaftsmagazin The Econonomist.

„Die Russen bereiten etwa 200.000 Soldaten auf den Einsatz vor. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie es wieder auf Kiew abgesehen haben“, zitierte das Magazin Saluschnij.

FILE PHOTO: U.S. Secretary of State Blinken and Defense Secretary Austin visit Kyiv

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow äußerte sich gegenüber der Zeitung The Guardian ähnlich. Es gebe immer mehr Beweise, dass Russland eine neue Offensive vorbereite. Sie könne für Februar geplant sein, wenn die Hälfte der im Rahmen der Teilmobilmachung eingezogenen 300.000 Männer ihr Training absolviert hätten.

Ukrainische Angriffe

Auch die von Russland besetzten Gebiete der Ukraine berichteten über Raketenbeschuss. In dem Ort Lantratowka im Gebiet Luhansk seien acht Menschen durch Feuer von ukrainischer Seite getötet und 20 Menschen verletzt worden sein, teilten die Behörden dort mit. Überprüfbar waren die Angaben von unabhängiger Seite nicht.

Russland setzt zunehmend auf Stellungskrieg

Die russischen Invasionstruppen in der Ukraine setzen nach Ansicht britischer Militärexperten zunehmend auf einen veralteten Stellungskrieg. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine am Freitag hervor.

Demnach errichten die russischen Truppen aufwendige Verteidigungsanlagen entlang der gesamten Frontlinie mit einem Schwerpunkt auf dem nördlichen Sektor um die Stadt Swatowe im Oblast Luhansk.

„Die russischen Konstruktionen folgen traditionellen militärischen Plänen zum Bau von Schützengräben, die seit dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unverändert sind. Solche Konstruktionen sind wahrscheinlich anfällig für moderne, präzise indirekte Schläge“, hieß es in der per Twitter verbreiteten Mitteilung.

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