Die Ukraine macht Jagd auf Putins geheime Schattenflotte

Sanctioned tankers hit by blasts in Balck Sea
Die Ukraine attackiert offen Tanker, die russisches Öl illegal um die Welt fahren und Putins Krieg finanzieren. Das könnte ins Auge gehen: Die Angriffe finden in internationalen Gewässern statt.

Während Donald Trumps Unterhändler Steve Witkoff am Dienstag im Flugzeug nach Moskau saß, setzte im Schwarzen Meer ein russischer Tanker einen Notruf ab. Man sei angegriffen worden, meldete die Midvolga 2 den türkischen Behörden; sie kreuze 150 Kilometer von der türkischen Küste entfernt in internationalen Gewässern.

Von wem sie attackiert worden war, ließ der russische Kapitän offen, auch die türkischen Behörden hielten sich bedeckt. Beobachter waren sich aber sicher: Dahinter steckt der ukrainische Geheimdienst.

Die Ukraine spricht inzwischen offen über Angriffe auf Öltanker

Kiew hat ein neues Ziel – und das könnte Putin langfristig sehr schmerzen: Die Ukraine bombardiert nicht mehr nur Ölraffinerien und Depots innerhalb Russlands, sondern attackiert auch jene Schiffe, die das sanktionierte Öl illegal um die Welt transportieren. 

Seit Kurzem macht Kiew das auch öffentlich: Der SBU, der ukrainische Geheimdienst, veröffentlichte vergangene Woche Videos von Angriffen auf zwei Tanker im Schwarzen Meer. Zu sehen ist darauf eine Unterwasser-Drohne, die das Ziel anvisiert – und die es explodieren lässt.

Experten hegten schon lange den Verdacht, dass die Ukraine Putins illegale Öltanker ins Visier nimmt, zugegeben hat man das in Kiew aber nie. Im Dezember vergangenen Jahres etwa sank die russische Ursa Major in der Meeresenge zwischen Spanien und Algerien; sie hatte jahrelang Kriegsmaterial auf der sogenannten „Syrien-Express-Route“ transportiert und war mit Kränen beladen gewesen. Moskau warf Kiew daraufhin vor, einen „Terrorakt“ verübt zu haben – Kiew dementierte das damals schmallippig.

Dass die Ukraine nun öffentlich macht, dass sie zu solchen Schlägen fähig ist, hat guten Grund. In Moskau und den USA wird derzeit über die Zukunft der Ukraine verhandelt, ohne dass sie selbst mit am Tisch sitzt – mit solchen Attacken will Kiew zeigen, dass man auch Akteur, nicht nur Zuseher ist.

Das Ziel: Russlands Einnahmequellen zum Versiegen bringen

Bisher hatte der Westen stets vor solchen Attacken gewarnt, aus Angst, der Ölpreis könnte durch die Decke schießen. Diese Furcht verdeutlicht die Dimension von Putins Schattenflotte für die Ölwirtschaft: Russland hat laut der Kyiv School of Economics mehr als 500 Tanker unter Drittstaaten-Flagge im Einsatz, die sanktioniertes Öl transportieren – viel davon landet trotz gegenteiliger Beteuerungen auch in der EU. 13 Milliarden Dollar fließen so geschätzt monatlich in Putins Staatskasse; Geld, das für den Krieg gegen die Ukraine dringend gebraucht wird.

In Kiew weiß man um den Effekt. Schon die Schläge gegen inländische Raffinerien drosselten die russische Ölproduktion zeitweise um knapp 40 Prozent. Weil das Öl ins Ausland floss, fehlte an den heimischen Tankstellen das Benzin – was sogar zu Protesten der Bevölkerung führte.

Attackiert die Ukraine die Schiffe nun in größerem Ausmaß, wird der Export für Putin teuer und lohnt sich irgendwann nicht mehr. Schon jetzt kann Moskau sein Öl wegen des Preisdeckels nur um die Hälfte des Marktpreises verkaufen, via Pipeline sind die Exportwege Richtung Westen beinahe dicht. Der Neubau von Ölleitungen in Asien kostet und dauert. Schneidet die Ukraine Putin den Weg durch das Schwarze Meer ab, müsste Moskau auf das Baltikum ausweichen – und das ist um einiges teurer.

Kritik von Verbündeten

Denkbar ist aber auch, dass die Ukraine sich selbst einen Bärendienst erweist. Alle Schiffe aus dem Verkehr zu ziehen, wäre trotz recht günstig einsetzbarer Unterwasserdrohnen nicht möglich; die Kräfte dafür fehlen dem maroden Staat schlicht. Dafür könnte ein anderer, unangenehmer Effekt eintreten: Kiew führt die Angriffe in internationalen Gewässern durch – und zieht so den Zorn mancher Verbündeter auf sich. Kasachstan protestierte etwa, weil auch ein kasachisches Ölterminal getroffen worden war.

Besonders schmerzhaft für Kiew ist aber die Schelte, die jetzt aus Ankara kam. Die Türkei ist Wächter der Schwarzmeer-Verbindung ins Mittelmeer, die auch in Kriegszeiten für Handelsschiffe offen sein muss – die Ukraine profitiert davon, kann so ihre Getreide-Exporte abwickeln. Als Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun sagte, der Krieg gefährde „die Sicherheit der Schifffahrt im Schwarzen Meer“, klangt das darum wie eine Drohung.

Moskau kann dieser Streit nur recht sein. Zwar streitet Putin die Existenz der Schattenflotte stets ab, doch nach den jüngsten Attacken drohte er Kiew eindeutig: Er könnte die Ukraine „vollständig vom Meer abschneiden“, sagte er. Die Türkei wird sich da eher nicht auf Kiews Seite schlagen – sie ist einer der Hauptabnehmer von Putins Öl.

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