Vasyl Khymynets: Zunächst möchte ich der schwarz-grünen Bundesregierung, besonders Kanzler Karl Nehammer, für die schnelle und entschlossene Hilfe herzlich danken. In für die Ukraine dramatischen Zeiten hat Österreich, sowohl der Staat, als auch Menschen und private Institutionen, nicht gezögert und schnell gehandelt.
Ich weiß nicht, welche Regierung jetzt zustande kommt. Ich nehme die Situation zur Kenntnis. Wir müssen nach vorne schauen, müssen herausfinden, wo wir gut und pragmatisch zusammenarbeiten können.
Wo kann denn das sein – ausgerechnet mit der FPÖ?
Etwa bei illegaler Migration. Hunger und Krisen sind ein sehr starker Faktor bei der Migration. Russland schürt Krisen, die Migrationswellen auslösen, Migration wird als Element der hybriden Kriegsführung gegen Europa eingesetzt. Im Gegensatz dazu bietet die Ukraine ihren Partnern konstruktive Hilfe an. Wir ernähren mit unseren Getreide und Produkten fast eine halbe Milliarde Menschen.
Vielversprechend ist auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Österreich zählt zu den Top-Investoren in der Ukraine. Beim Wiederaufbau geht es um Aufträge in Milliardenhöhe – klar werden die österreichischen Firmen davon profitieren. Die Wirtschaftsverbände sagen mir unmissverständlich, die österreichische Wirtschaft auf der Seite der Ukraine steht und dass es jetzt notwendig ist, die Ukraine weiter zu unterstützen. Das wird auch die neue Regierung erkennen.
Bei der ÖVP hatten Sie mit Karl Nehammer immer einen guten Ansprechpartner. Wie sieht das bei der FPÖ aus, redet da jemand mit Ihnen?
Die scheidende Regierung hat gezeigt, wie es gehen kann. Ich habe Kontakte mit Vertretern der FPÖ, sowohl hier in Wien, als auch auf Länder- und Kommunenebene. Dort – das hebe ich dankend hervor – wurden viele Hilfsprojekte parteiübergreifend beschlossen.
Der designierte US-Präsident Donald Trump will binnen eines halben Jahres Frieden in der Ukraine herstellen. Glauben Sie das? Er erklärt ja nicht, warum sich Putin überhaupt an den Verhandlungstisch setzen sollte.
Das ist eine gute Frage. Russland wird den Krieg nie freiwillig beenden, das signalisiert Moskau jeden Tag. 2014 dachten alle, er sei mit der Krim zufrieden, dabei ist Putins Ziel Dominanz in Europa – auf Basis der Idee, dass der Stärkere sich alles erlauben kann. So will Putin Dominanz in Europa. Er hat seine Zeit kommen gesehen, weil Europa militärisch abgebaut hatte, darum hat er angegriffen.
Wir stimmen uns jetzt mit den USA und Europa darüber ab, was wir ihm entgegensetzen können – mit wirtschaftlichen, diplomatischen, militärischen Mitteln. Putin kann nur mit Druck gestoppt werden. Alles andere ist Utopie.
Kommt es zu Verhandlungen, braucht die Ukraine Sicherheitsgarantien, die Putin vor einer neuen Invasion abschrecken. Ein NATO-Beitritt ist in weiter Ferne, eine Lösung wären Friedenstruppen. Wer soll die stellen?
Unser Präsident hat neulich wieder betont, dass wir bittere Erfahrungen mit Garantien haben, die nur auf dem Papier existieren ...
... Sie meinen das Budapester Memorandum aus 1994, in dem Russland der Ukraine ein Nichtangriffsversprechen als Gegenleistung für die Abgabe aller Nuklearwaffen gab ... Genau. Darum müssen Garantien für uns verbindlich sein. Wir sehen nur den NATO-Beitritt als einzig wirksame Maßnahme, das erklären wir allen Partnern. Das Argument, dass das Putin nur weiter reizen würde, lasse ich nicht gelten – das hat man auch bei den baltischen Staaten gesagt, und die hat er gerade wegen ihrer Mitgliedschaft nicht attackiert. Putin kann den Krieg gegen die Ukraine führen, weil die Ukraine kein NATO-Mitglied ist – er folgt dem Konzept „Der Stärkere erlaubt sich alles.“.
Wir werden weiterhin an Russland grenzen – deshalb brauchen wir eine effektive Abschreckung, etwa Langstreckenraketen. Papiere können uns nicht retten, und gebrochene mündliche Zusagen von Putin gab es in der Geschichte schon genug – seinen Worten traut niemand mehr.
Am Verhandlungstisch wird Putin Forderungen stellen. Er will die annektierten Gebiete behalten, vielleicht sogar mehr, das wird Ihnen auch der Westen abverlangen. Ist die Bevölkerung dafür bereit, ist sie kriegsmüde genug?
Ja, die Menschen leiden unter dem Krieg enorm, vor allem durch den täglichen schrecklichen Terror durch russische Raketen und Drohen. Im Winter ohne Strom, Heizung und Wasser dazusitzen, ist nicht einfach zu ertragen und erfordert unglaubliche Ausdauer. Aber die Leute zeigen Stärke, sie verstehen, warum sie zusammenhalten müssen. Wenn wir uns nicht mehr wehren, werden wir nicht mehr existieren.
Das müssen auch unsere Partner verstehen. Nur gemeinsam können wir – die Ukraine, die EU und NATO-Partner – den Kriegstreiber Putin zu einem gerechten Ende des Krieges zwingen. Gemeinsam verfügen wir über genügend Instrumente – politische, militärische und diplomatische – um dies zu erreichen.
Immer mehr europäische Regierungen haben dafür kein Verständnis mehr, wenden sich von Kiew ab. Der slowakische Premier Fico drohte, die Stromlieferungen in die Ukraine einzustellen. Ist das auch Putins Werk?
Wir sehen nicht, dass sich die europäischen Regierungen abwenden. Sie erkennen umgekehrt mehr und mehr die ernsthafte Gefahr durch Russland für Europa. Die Solidarität sehen wir am Beispiel der Drohungen, die Stromlieferungen zu stoppen. Sofort haben andere Länder gesagt, sie würden einspringen und kompensieren, Polen etwa. Das ist Europas Stärke.
Energie war immer ein Instrument für Putin, um seine Politik durchzusetzen, um Politiker zu korrumpieren.
Herbert Kickl ist einer, der aus diesem Solidaritätsreigen wohl ausscheren würde. Er hat Wien dafür immer wieder als Verhandlungsort ins Spiel gebracht. Würden Sie dem zustimmen – mit einem Kanzler Kickl?
Dieses Interesse Österreichs ist uns bekannt. Jetzt ist es aber wichtig, Russland zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden zu zwingen.
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