Türkei: Aufstand der Popstars gegen Erdogan

Türkei: Aufstand der Popstars gegen Erdogan
Der Präsident hatte eine bekannte Sängerin verbal attackiert, jetzt wehrt sich die türkische Musikszene lautstark

Sie hatte ein Lied über Adam und Eva aus der Bibel gesungen, und er hatte daraufhin empfohlen, ihr "die Zunge herauszureißen". Der Konflikt zwischen dem türkischen Präsidenten  Recep Tayyip Erdoğan und der Schlagersängerin Sezen Aksu bringt die türkische Musikszene in Aufruhr. 

Türkei: Aufstand der Popstars gegen Erdogan

Mehr als 200 türkische Künstler und Intellektuelle, darunter Schriftsteller, Journalisten, Musiker haben Sezen Aksu, die als die Popkönigin der Türkei gilt, unterstützt. Aksu wird seit Wochen von islamistischen und nationalistischen Gruppen wegen eines Liedes bedroht wurde, das sie vor fünf Jahren geschrieben hat.

"Niemals alleine"

„Sezen Aksu wird niemals alleine gehen“, zitieren die Künstler in einem offenen Brief den legendären Song und fügten hinzu, dass sie Präsident Recep Tayyip Erdogans Angriff auf Sezen Aksu beobachteten. Dieser verletze wie einmal Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst.

"Natürlich sind wir an der Seite Sezen Aksus“, schrieb Pianist Fazil Say. Die Schauspielerin Müjde Ar erinnerte den Präsidenten daran, dass die laizistische Verfassung der Türkei dem Staat vorschreibe, Kunst und Künstler zu schützen. "Soweit ich weiß, gibt die Verfassung der Regierung, dem Staat und den Menschen in der Politik keine Pflicht, die Zunge herauszureißen."

Auch der deutsche Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, zeigte seine Solidarität mit Aksu und kritisierte das Regime. „Es ist das alte Spiel von autoritären Regimen, wenn sie mal wieder unter Druck stehen: Kriege beginnen, gegen Minderheiten hetzen oder Menschen zur Zielscheibe erklären. Deshalb volle Solidarität mit der großartigen türkischen Sängerin“, schrieb er auf Twitter.

Erster Prophet

Aksus Lied soll die biblischen Figuren Adam und Eva beleidigt haben. Im Islam gilt Adam als der erste Prophet, während Eva seine Frau war. Für strenggläubige Moslems sind sie daher quasi tabu. Viele islamistische Gruppen haben Sezen Aksu wegen der Texte angegriffen und vor ihrem Haus in Istanbul protestiert.

"Pseudo-Künstler"

„Einige Pseudo-Künstler haben miteinander konkurriert, um unsere nationalen und spirituellen Werte herabzusetzen und die Religion unter dem Deckmantel der Kunst zu beleidigen“, sagte Murat Sahin, Präsident der sogenannten "Nationalen Verteidigungsbewegung", die Erdogans AKP sehr nahe steht.

Der ließ die Debatte endgültig eskalieren, als er während des Freitagsgebets empfahl, der Sängerin die Zunge abzuschneiden. „Es ist unsere Pflicht, diese Zungen zu zerschneiden“, sagte er.

"Es geht um mein Land"

Die Sängerin hatte bisher zu allem geschwiegen – auch als sich eine wütende Meute von ihrem Hause versammelte. Nach Erdogans Aussage meldete sie sich aber erstmals zu Wort. Sezen Aksu bedankte sich auf ihrer Facebook Seite bei allen, die an ihrer Seite stehen. Zu dem Beitrag stellte sie auch den Songtext ihres 2010 erschienen Lieds „Hop dedik“ dazu, dem sie neue Zeile dazuschrieb. Darin heißt es unter anderem: "Schmerzen, wohin ich schaue. Ich bin die Beute, du bist der Jäger. Du kannst meine Zunge nicht zerquetschen."

Hinzu fügte Aksu das Versprechen: "Ich schreibe seit 47 Jahren... Ich werde weiterschreiben." Auch stellte die Sängerin klar: Es geht nicht um mich, sondern um Land.“

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