Vor Handelskrieg mit USA: EU ringt um Deal in letzter Minute

„Grundsätzliche Einigung“, für Beobachter aus der Distanz hört sich das eigentlich ganz vernünftig an. In der EU-Zentrale in Brüssel, aber auch in wichtigen Hauptstädten wie Berlin kursiert es allerdings als Schreckensszenario. Denn diese grundsätzliche Einigung ist quasi der letzte Rettungsanker, um einem offenen Handelskrieg mit den USA zu entgehen, den man in Europa unbedingt vermeiden will.
Am 9. Juli, also in wenigen Tagen, läuft das Ultimatum ab, das US-Präsident Donald Trump für eine Einigung auf ein Handelsabkommen mit der EU gestellt hat. Scheitert man daran, will Trump zu der harten Zollpolitik zurückkehren, die er Europa - wie auch dem Großteil der restlichen Welt – angedroht hat. Zuletzt hatte der Präsident wieder von Zöllen in der Höhe von 50 Prozent auf alle Waren aus Europa gesprochen. Zumindest auf Stahl und Aluminium dürften sie so hoch ausfallen, bei Autos aus der EU rechnet man mit 25 Prozent. Beides auf Dauer vor allem für Exportnationen wie Deutschland kaum zu verkraften, wie Vertreter der Industrie deutlich machen. Die „Grundsätzliche Einigung“ wiederum würde nichts anderes bedeuten, als dass man die Handelsbeziehungen weiter im aktuellen Schwebezustand belässt und weiter verhandelt.
USA schlecht vorbereitet
Denn von einer Einigung ist man immer noch weit entfernt, wie aus Kreisen der EU-Verhandler in Brüssel zu erfahren ist. Die Gespräche seien vor allem deshalb schwierig, weil die US-Verhandler auf viele der komplexen Fragen zu Zöllen gar nicht ausreichend vorbereitet seien. Die USA wollten nur ein paar spektakuläre Punkte machen, der Rest sei ihnen nicht so wichtig, berichten Eingeweihte. Nicht umsonst meinte der deutsche Kanzler Friedrich Merz kürzlich am Rande eines EU-Gipfels, man müsse die Verhandlungen viel simpler und schlagkräftiger gestalten.
Ob die Zeit dafür allerdings ausreicht, ist fraglich. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic , der die Verhandlungen leitet, ist gerade aus Washington zurückgekehrt, ohne einen Durchbruch erzielt zu haben. Nachdem sie von Sefcovic informiert worden sei, hätte Von der Leyen selbst ein vollständig ausgehandeltes Abkommen als „unmöglich“ bezeichnet. berichtete die Nachrichtenplattform Politico in ihrem Newsletter.
Trump selbst erhöht die Spannung weiter, indem er ankündigt, schon ab Sonntag Briefe an Regierungen weltweit auszuschicken, in denen die geplanten Zölle aufgeführt seien. Ob diese Briefe an die Spitzenvertreter der EU gehen, die Trump verachtet, oder an einzelne Regierungen wie etwa jene in Berlin, blieb vorerst offen.
Zuständig für Gegenmaßnahmen, also für Zölle auf US-Waren, ist grundsätzlich die EU-Kommission. Dort hat man sich auf den Ernstfall ohnehin seit Monaten vorbereitet. Sollte Trump jetzt ernst machen, will man sich nicht mehr nur auf die bereits bekannten Zölle auf US-Prestigeprodukte wie Harley-Davidson-Motorräder beschränken. Agrarprodukte wie Soja, ein US-Exportschlager, oder Flugzeuge sind im Visier. Güter im Wert von 100 Milliarden Euro jährlich wären betroffen.
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