Grenzsicherung wird zum Millionengeschäft

Zwei griechische Polizisten überwachen Überwachungskameras in einem Kontrollraum.
Rüstungsindustrie profitiere am meisten von der EU-Asylpolitik, ermittelt ein internationales Rechercheteam.

Das Asylthema ist präsenter denn je. Seit 2003 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe in der Europäischen Kommission mit der Erforschung von Sicherheitstechnologien als Mittel gegen Einwanderung. Wichtige Akteure wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) oder das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind jedoch nicht Teil dieser Gruppe. Stattdessen treten Vertreter von Rüstungsfirmen auf. Warum?

Wie so oft soll Geld eine große Rolle spielen, sagt ein internationales Team von Journalisten, das für das Rechercheprojekt "The Migrants‘ Files" monatelang unzählige Dokumente analysiert hat, um die Kosten der Einwanderungspolitik Europas zu beziffern.

Rüstungsindustrie für Grenzsicherung

Drei große Unternehmen, die auch in der Rüstungsindustrie agieren, hätten in Millionenhöhe von den insgesamt 39 Forschungsprojekte der Europäischen Union und der Europäischen Weltraumorganisation ESA profitiert. Neben den Großkonzernen seien auch Universitäten sowie kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) an den Projekten beteiligt gewesen. Dazu gehören beispielsweise Live-Scanner für Fingerabdrücke oder Systeme, die Schiff- und Handysignale orten und verfolgen können.

Doch die Entwicklungskosten neuer Technologien seien laut Rechercheteam nur ein Bruchteil der Ausgaben für die Grenzsicherung:

Kosten der EU-Migrationspolitik (Auszug)
Kostenstelle Kosten
Europäische Grenzsicherungsagentur "Frontex" 1 Mrd. Euro seit Gründung
Grenzwache 1,6 Mrd. Euro seit 2000
Anschaffung von Booten, Drohnen, etc. 70 Mio. Euro (Spanien und Griechenland)
Instandhaltung der Mauern spanischer Enklaven 10 Mio. Euro jährlich
Implementierung IT-System "Eurosur" 200 Mio. Euro

Der größte finanzielle Brocken befinde sich jedoch in der Rückschaffung von Flüchtlingen von europäischem Territorium aus. 11,3 Milliarden Euro sollen die Maßnahmen für die Ausschaffung bisher gekostet haben. Offizielle Angaben gebe es nicht, berichten unter anderem der Schweizer Rundfunk und Der Standard, die Teil des Projekts "The Migrants' Files" sind.

Eine Gruppe von Kindern steht hinter einem Zaun mit Stacheldraht.

Rückkehr und Abschiebung

Viele Staaten, dazu gehört auch Österreich, würden zwar Daten zur Anzahl an abgeschobenen Menschen und freiwilligen Rückkehrern erfassen, Kosten werden aber nur ansatzweise aufgelistet. Die Rechercheure schätzen, dass europaweit etwa dieselbe Summe für die Rückschaffung ausgegeben wird, die auch Flüchtlinge ausgeben, um nach Europa zu gelangen: Jährlich rund eine Milliarde Euro. Dazu heißt es im Wortlaut:

The Migrants’ Files concludes that the cost of deportations in Europe is close to a billion euro per year.

Das würde bedeuten, wenn die Reise eines Flüchtlings in die EU einen Euro kostet, zahlt der Steuerzahler einen Euro, um diesen Flüchtling wieder zurückzuschicken.

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