Tansania am Rande des Abgrunds - eine Österreicherin berichtet

Protest a day after Tanzania's general election at the Namanga One-Post Border crossing point between Kenya and Tanzania
Nach der Wahlfarce, in der Präsidentin Samia Suluhu Hassan mit fast 100 Prozent im Amt bestätigt worden war, wurden Hunderte Menschen getötet. Eine Österreicherin vor Ort berichtet.

Einst wurde die in Großbritannien und den USA ausgebildete Projektmanagerin beim UN-Welternährungsprogramm wegen ihrer ruhigen und vermittelnden Art von manchen als „Afrikas Angela Merkel“ bezeichnet. Doch zuletzt setzte Samia Suluhu Hassan nur noch auf brutale Gewalt und erhielt den wenig schmeichelhaften Beinamen „Idi Amin Mama“.

Wie der Schlächter von Uganda ließ  sie vor und nach ihrer „Wahl“ zur tansanischen Staatspräsidentin - sie wurde am Montag vereidigt -  jeden Widerstand im Keim ersticken. Rund um den Urnengang in der Vorwoche, bei der nach offizieller Darstellung die 65-Jährige fast 98 Prozent der Stimmen einfuhr,  sollen (auch laut Diplomatenangaben) Hunderte Menschen getötet worden sein.

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Samia Suluhu Hassan wurde am Montag als Präsidentin Tansanias angelobt

„Die Wahlen waren keine Wahlen, es gab ja bloß eine Partei. Und das Land ist längst keine Demokratie mehr“, sagt eine Österreicherin, die seit Jahren in Tansania lebt und die der KURIER am Montag auf Umwegen erreichte. Denn nach den Ausschreitungen, bei denen die Sicherheitskräfte laut Augenzeugen mit scharfer Munition schossen, hat das Regime das Internet komplett heruntergefahren

„Sechs Tage ist so die Kommunikation schon lahmgelegt. Das betrifft natürlich auch den Zahlungsverkehr“, sagt die Frau, die anonym bleiben möchte, „doch die Bevölkerung ist gewohnt mit schwierigen Situationen umzugehen. Das  Leben geht weiter.“

Wenn auch sehr eingeschränkt: In weiten Landesteilen wurde der Strom abgeschaltet. Es gibt auch  keinen Benzin und damit keine Transportmöglichkeiten. „Das soll die Bewegungsfreiheit der Menschen beschränken. Und natürlich können von den Demonstranten so auch keine neuen Molotowcocktails hergestellt werden“, schildert die Österreicherin.

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Die Sicherheitskräfte setzten auch Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein

Getragen werden die Proteste vor allem von der Jugend,  der so genannten „Gen Z“, also Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden – rund die Hälfte der geschätzten 70 Millionen Einwohner Tansanias ist jünger als 17 Jahre. „Sie haben genug von Korruption und Repression“, erläutert die Auswanderin. Dafür gehen sie auf die Straßen,  was viele mit ihrem Leben bezahlten. 

„Zum ersten Mal in unserer Geschichte erleben wir  Massentötungen von Protestierenden“, beschreibt Charlea Kitima, Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz in Millionen-Metropole Daressalam, die aktuelle Situation. Das Militär ist an den neuralgischen Punkten stark präsent. Es herrscht eine nächtliche Ausgangssperre.

Oppositionschef droht Todesstrafe

Bereits vor der jetzigen Gewalt-Eskalation hatte die 65-jährige Präsidentin klargemacht, wohin die Reise geht: Zwei  Oppositionsparteien wurden vor der Wahl ausgeschlossen, zahlreiche Funktionäre inhaftiert, und der Chef einer dieser Gruppierungen wurde sogar wegen Hochverrats angeklagt. Ihm droht jetzt die Todesstrafe.

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Sicherheitskräfte sind stark präsent und sichern Touristengebiete 

Aufgrund der prekären Sicherheitslage rät das österreichische Außenamt, nicht unbedingt notwendige Tansania-Reisen nicht anzutreten.  Allerdings, so berichtet die Österreicherin dem KURIER, seien die Touristengebiete sicher. Ihre Begründung: „Das Militär sichert die Urlaubergebiete massiv, weil die Erlöse aus dem Fremdenverkehr lebensnotwendig sind für das Land.“

Für Zukunft ihrer Wahlheimat hat die Frau eine ambivalente Prognose: „Die starke Hand der Zentralgewalt wird das Leben weiter bestimmen“, meint sie, „aber die Bevölkerung zeigt, dass sie das Ganze so nicht mehr akzeptieren wird. Es wird sich also etwas ändern müssen.“  
 

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