Ferien bei den Taliban: Wie Influencer Werbung für Islamisten machen

Ferien bei den Taliban: Wie Influencer Werbung für Islamisten machen
Immer mehr Influencer berichten aus illegitim regierten Ländern wie Afghanistan. Ist das Propaganda – oder Naivität?

"Es ist so friedlich hier“, sagt Emma Witters, sie filmt aus dem Fenster ihres Fünf-Sterne-Hotels. „Man hört nichts. Und die Minibar ist gratis!“

Die schottische Reisebloggerin ist in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, und was sie in ihrem Video erzählt, klingt nach einer Reiseempfehlung: Das Land, wunderschön, die Menschen, sehr freundlich. Und die Taliban? Die findet die 55-Jährige auch umgänglich: Als ein Trupp Männer hinter ihr „Tod den Amerikanern, Tod der NATO“ singt, schwärmt sie vor der Kamera davon, dass „hier jeder einfach eine gute Zeit hat“.

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Witters ist nur eine von vielen Reisebloggern, die aus Afghanistan berichten. Ein Jahr nach ihrer Machtübernahme im Sommer 2021 haben die Taliban das Land wieder für Touristen geöffnet, einige tausend Menschen bereisten es seither.

Die geringe Zahl ist wenig überraschend: In fast allen Staaten der Welt gibt es Reisewarnungen, laut Amnesty International hat unter den Radikalislamisten eine „neue Ära der Menschenrechtsverletzungen“ begonnen, vor allem gegen Mädchen und Frauen.

Warum machen dennoch viele westliche Influencer Ferien bei den Taliban?

Weil es auf Social Media einen großen Markt für „Extremtourismus“ gibt, weil die Videos Geld bringen. Witters alias Wandering Emma hat auf Youtube 121.000 Abonnenten, ihr US-Kollege Drew Binsky, der auch schon Videos über die schönen Seiten von Assads Syrien gedreht hat, hat knapp vier Millionen Subscriber. Eine Reichweite, von der manch traditionelles Medium nur träumen kann.

Journalistische Standards? "Nicht mein Job"

Das Problem dabei: Journalistische Standards erfüllen die Blogger keine, das sei „auch nicht ihr Job“, sagt Witters in einem Interview. Auch Binsky sagt in seinen Videos, er wolle das zeigen, was die „Mainstream-Medien“ wegließen – also wie schön die jeweiligen Länder seien.

Nur: Die Blogger zeigen im Umkehrschluss das nicht, was den Menschen dort das Leben teils zur Hölle macht – und schaffen so mitunter Zerrbilder, die den herrschenden Regimen als Propaganda dienen.

Ob das den Influencern in dieser Tragweite bewusst ist, kann man freilich diskutieren. Stephan Müller, ein deutscher Reiseblogger, lässt in seinen Videos aus Afghanistan auch die Taliban zu Wort kommen.

„Das waren ja generell nette Menschen“, sagt er im Interview mit der ARD, und meint: „Ist ja nicht so schlimm dort, außer die Unterdrückung der Menschen.“ Die thematisiert er in seinen Beiträgen aber nicht, und das auch ganz bewusst: Er wolle seine Interviewpartner ja nicht in Gefahr bringen.

Auch ein Österreicher sitz in Afghanistan in Haft

Dass Reisen nach Afghanistan, Syrien oder auch in die von Russland besetzten Gebiete der Ukraine gefährlich sind, verschweigen die Blogger nicht – meist wird nur der Grund und der Verursacher dafür nicht explizit genannt. Gerade in Afghanistan kann ein Besuch aber übel enden: In den vergangenen Monaten wurden immer wieder Besucher inhaftiert, unter ihnen auch der britische Youtuber Miles Routledge, der mit den Taliban Schießvideos drehte.

Er sitzt ebenso in Haft wie Herbert Fritz, ein österreichischer Rechtsextremer, der beweisen wollte, wie sicher das Land sei – und dabei wegen Spionagevorwürfen im Gefängnis landete. Ihn wollten übrigens die beiden FPÖ-Afghanistan-Touristen Andreas Mölzer und Johannes Hübner kürzlich befreien – bekanntlich erfolglos.

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