Syrien akzeptiert internationale Kontrolle

US-Präsident Obama stellte zuvor eine Abkehr von den Kriegsplänen in Aussicht.

Die syrische Regierung hat nach russischen Angaben den Vorschlag der Regierung in Moskau angenommen, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Dies meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Dienstag unter Berufung auf den syrischen Außenminister. "Wir hatten gestern sehr fruchtbar Gespräche mit Außenminister Sergej Lawrow und er hat eine Chemiewaffen-Initiative vorgeschlagen. Und am Abend haben wir uns geeinigt, der russischen Initiative zuzustimmen", zitierte Interfax den syrischen Außenminister Walid Mouallem.

Obama stellte Abkehr von Kriegsplänen in Aussicht

US-Präsident Barack Obama hatte zuvor eine mögliche Abkehr von einem Militärschlag gegen Syrien in Aussicht gestellt. Er würde einen Angriff "absolut" auf Eis legen, wenn das Regime von Machthaber Bashar al-Assad seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stelle, meinte Obama am Montag in mehreren TV-Interviews. Er begrüßte einen entsprechenden russischen Vorschlag als "positive Entwicklung". Der Präsident zeigte sich aber auch skeptisch: "Wir wollen keine Hinhaltetaktik", sagte er. Unterdessen verschob der US-Senat eine Probeabstimmung über einen Militärschlag.

Russland und Syrien entwickeln Plan zur C-Waffen-Übergabe

Russland arbeitet jetzt nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow mit Syrien an einem Plan, wie die Chemiewaffen des arabischen Landes unter internationale Kontrolle gebracht werden können. Lawrow sagte am Dienstag in Moskau, der "wirkungsvolle, konkrete" Plan werde anderen Ländern bald vorgestellt werden.

Frankreich will Resolution einbringen

Indes will Frankreich noch am Dienstag einen Entwurf für eine Syrien-Resolution in den UNO-Sicherheitsrat einbringen. Darin solle der Giftgasangriff vom 21. August verurteilt und Offenheit über das Chemiewaffenprogramm der syrischen Regierung gefordert werden, sagte Außenminister Laurent Fabius in Paris. Der französische Resolutionsentwurf fordere die syrische Regierung auf, ihr Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen und zu vernichten, fügte Fabius hinzu. Auch eine Bestrafung der Verantwortlichen für den Giftgasangriff vom 21. August werde gefordert. Frankreich war zuletzt der wichtigste Partner der USA hinsichtlich eines möglichen Militärschlages gegen das syrische Regime.

Kerry gab den Anstoß

Am Montag hatten sich in der Syrien-Krise die Ereignisse überschlagen: Zunächst hatte US-Außenminister John Kerry gegenüber Journalisten in London vage formuliert, Bashar al-Assad könnte einen US-Militäreinsatz noch verhindern, wenn er binnen einer Woche seine chemischen Waffen der internationalen Gemeinschaft aushändigte. Dann sprang Russland auf diesen Zug auf. Die Aufforderung Russlands, Syrien solle seine Chemiewaffen nicht nur unter internationale Kontrolle stellen und vernichten, überraschte. In Folge hieß es aus Damaskus, das Regime unter Assad sei gewillt, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen.

Auch der Iran unterstützt den russischen Vorschlag zu den Chemiewaffen. China hat sich ebenfalls hinter den russischen Kompromissvorschlag gestellt.

Türkei: "Grünes Licht für weitere Massaker“

Skeptisch äußerten sich hingegen syrische Rebellengruppen und die Türkei. "Wir glauben, dass das syrische Regime nur versucht, sich Zeit zu erkaufen", sagte ein Sprecher der von Deserteuren gegründete Freien Syrischen Armee (FSA) am Montag. Ähnlich äußerte sich auch die Syrische Nationale Koalition. Ein weiteres Zuwarten in Syrien käme einem „grünen Licht für weitere Massaker“ gleich, erklärte der türkische Außenminister Ahmed Davutoglu.

Es gebe "keinen Zweifel“ an dem Chemiewaffen-Angriff durch das syrische Regime, machte der türkische Außenminister am Dienstag in einem Interview deutlich. Der Chemiewaffeneinsatz in Damaskus und in der Stadt Homs hätten "nur mit Raketen und mit erfahrenen Experten“ durchgeführt werden können. Beides befinde sich ausschließlich in den Händen des syrischen Regimes.

Eine Karte von Syrien, die mutmaßliche Standorte des Chemiewaffenprogramms zeigt.

SP-Verteidigungsminister Gerald Klug hat vor dem Hintergrund des russischen Vorschlags sein Angebot zur Entsendung österreichischer ABC-Experten erneuert. "Das Angebot bleibt selbstverständlich aufrecht." Bedingung sei jedoch weiterhin ein entsprechendes UNO-Mandat, eine vorherige politische Lösung des Konfliktes sowie vorhandene Infrastruktur, um die Waffen zu "demontieren", sagte Klug am Dienstag vor Journalisten in Wiener Neustadt.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat am Montag vorgeschlagen, sogenannte "sichere Zone" zu errichten, in denen das Giftgasarsenal zerstörte werden könnte, auch wenn die Kampfhandlungen im Bürgerkriegsland andauern. Auf die Frage, ob auch in diesem Fall eine Entsendung von Österreichern möglich wäre, hieß es aus dem Verteidigungsministerium: "Da müsste man streng prüfen, ob das möglich ist."

Obwohl das syrische Regime bereits signalisiert hat, dass es einer internationalen Kontrolle seines Chemiewaffenarsenals zustimmen könnte, bleibt Klug vorsichtig skeptisch. "Die Geschichte hat uns gelehrt, dass solche Angebote mit Vorsicht zu genießen sind ... Es ist noch abzuwarten, ob den Worten Taten folgen werden." Allerdings sei er weiterhin "felsenfest davon überzeugt", dass ohne Lösung der Chemiewaffenproblematik dauerhaft keine Stabilität möglich sei.

Die Kritik des Koalitionspartner ÖVP, wonach Klugs Angebot nicht an die USA, sondern an die UNO gerichtet sein hätte müssen und das Außenministerium zudem nicht informiert gewesen sein, reagierte der Verteidigungsminister mit Unverständnis. Er habe "den Aktionsradius des österreichischen Verteidigungsminister aktiv genützt". "Auf operativer Ebene sind die Verteidigungsminister meine Ansprechpartner", so Klug. Außerdem habe bereits sein Vorgänger Norbert Darabos im Oktober 2012 den USA ein solches Angebot unterbreitet: "So fremd sollte unsere Position weder dem Außenminister noch dem ihm zugeordneten Staatssekretär sein."

Mit der Rückkehr der Diplomatie in den Syrien-Konflikt rückt die internationale Chemiewaffenkonvention in den Blickpunkt. Sie trat 1997 in Kraft und verbietet Entwicklung, Produktion, Besitz, Weitergabe und Einsatz chemischer Waffen. Syrien zählt neben Angola, Ägypten, Nordkorea und dem Südsudan zu den weltweit nur fünf Staaten, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben. Zwei weitere Staaten, Israel und Myanmar, haben die Vereinbarung bisher nicht ratifiziert.

Die Konvention ergänzt das Genfer Protokoll von 1925, das lediglich den Einsatz von Brand-, Gift- und anderen Gasen sowie der biologischen Kriegführung untersagt. Diese alte Vereinbarung hat Syrien im Gegensatz zur Chemiewaffenkonvention unterzeichnet.

Chemische Industrie wird überwacht

Überwacht wird die Einhaltung der Konvention von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag. Sie nimmt auch Inspektionen vor, um die Vernichtung bestehender Chemiewaffen-Arsenale zu verifizieren. Zudem überwacht sie die chemische Industrie, um die Produktion neuer Waffen zu verhindern. Unterzeichner der Chemiewaffenkonvention verpflichten sich, ihre C-Waffenbestände offenzulegen und diese ebenso wie die Mittel zur Produktion der Waffen unter internationaler Aufsicht zu zerstören. Die OPCW war auf Bitte der Vereinten Nationen auch an den bisherigen C-Waffeninspektionen in Syrien beteiligt. Generaldirektor der Organisation ist seit 2009 der Türke Ahmet Üzümcü.

Die weltweit größten Chemiewaffen-Arsenale lagern in den USA und Russland. Zu den Staaten, die C-Waffenbestände deklariert haben, gehören außerdem Albanien, Indien, der Irak sowie Libyen. In den Konventionsstaaten gab es ursprünglich nach OPCW-Angaben rund 71.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe, die in 8,6 Millionen Geschosse oder Container abgefüllt waren. Knapp 58.000 Tonnen davon wurden bisher unter Aufsicht zerstört. Zum Vergleich: Eine stecknadelkopfgroße Menge eines Nerven-Kampfstoffes genügt, einen erwachsenen Menschen binnen Minuten zu töten.

Bei der Vernichtung der Waffen müssen bestimmte Vorschriften beachtet werden: sie dürfen beispielsweise nicht einfach ins Meer gekippt, vergraben oder unter offenem Himmel verbrannt werden.

Zwei Kinder tragen Sauerstoffmasken.

Children, affected by what activists say was a gas
US-Soldaten beim Verladen von Gepäck auf ein Flugzeug.

KYRGYZSTAN USA TROOPS
Ein Zerstörer der US-Marine fährt auf dem offenen Meer.

Handout photo of guided-missile destroyer USS Rama
Ein Mann mit Brille hält eine Zigarette in der Hand.

Angela Merkel spricht vor einem Hintergrund mit dem Logo des Europäischen Rates.

Angela Merkel
Nahaufnahme von François Hollandes Gesicht mit Brille vor einer französischen Flagge.

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Ein Flüchtlingslager mit vielen Zelten und Menschen.

Syrian refugees are seen in a refugee camp on the
Eine Familie beobachtet, wie ein Mann in einem Einkaufszentrum eine Gasmaske anprobiert.

An Israeli man shows his children how to adjust a
Eine Person hält ein Schild mit einem durchgestrichenen Bild von Baschar al-Assad und türkischem Text.

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Drei bewaffnete Männer kauern in einer zerstörten städtischen Umgebung.

EPAepa03428890 A photograph made available on 11 October 2012, shows Free Syrian Army figthers holding their weapons in a street of Aleppo, Syria, 10 October 2012. Free Syrian Army figthers and troops loyal to Syrian President Bashar al-Assad are still f
Soldaten jubeln über den Start einer Rakete.

dapdIn this photo released by the Islamic Republic News Agency (IRNA), members of the Iranian Revolutionary Guard celebrate after launching a missile during their maneuver in an undisclosed location in Iran, Tuesday, July 3, 2012. Irans powerful Revolutio
Männer hängen ein Wahlplakat mit dem Bild eines Politikers in einer Straße auf.

REUTERSSunni Muslim men hang up a poster with an image of senior intelligence official Wissam al-Hassan, in the Tariq al-Jadideh district in Beirut October 20, 2012. Brigadier-General al-Hassan, who led an investigation that implicated Syria and its Leban
Ein Junge jubelt mit erhobenen Fäusten vor einer Gruppe von Menschen.

Libanon

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