Polit-Chaos in Südkorea geht weiter: Übergangspräsident erklärt Rücktritt

Han Duck-soo tritt als Südkorea-Präsident zurück.
Spekuliert wird, dass Han Duck-soo seinen Rücktritt bekanntgegeben hat, um bei den Neuwahlen am 3. Juni als Präsidentschaftskandidat anzutreten.

Einen Monat vor der Präsidentenwahl in Südkorea ist Übergangspräsident Han Duck-soo von seinem Amt zurückgetreten. Damit übernimmt nun Finanzminister Choi Sang-mok für die kommenden Wochen die Amtsgeschäfte. Wie der 75-jährige Han bei einer live im Fernsehen übertragenen Rede am Donnerstag mitteilte, möchte er in Zukunft eine "noch größere Verantwortung übernehmen".

In südkoreanischen Medien wird dies als Andeutung interpretiert, dass Han Duck-soo bei den Neuwahlen am 3. Juni als Präsidentschaftskandidat für das konservative Lager antreten könnte. Han selbst hat dies noch nicht direkt bestätigt.

Der langjährige Politiker hat in seiner Laufbahn sowohl unter konservativen als auch linksliberalen Präsidenten als Minister gedient. Zwischenzeitlich war Han Duck Soo auch als Diplomat tätig, unter anderem als Südkoreas Botschafter für die Vereinigten Staaten. Der Ökonom studierte unter anderem in Harvard.

Yoon Suk-yeol droht eine lebenslange Haftstrafe

Unterdessen hat die südkoreanische Staatsanwaltschaft den vom Amt enthobenen Präsidenten Yoon Suk-yeol wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Der 64-Jährige muss sich zudem bereits wegen des Vorwurfs des Hochverrats strafrechtlich verantworten. Im Falle eines Schuldspruchs droht Yoon eine lebenslange Haftstrafe, theoretisch wäre auch die Verhängung der Todesstrafe möglich.

Beide Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit der Staatskrise, die Yoon Suk-yeol Anfang Dezember auslöste. Damals rief der konservative Politiker im Zuge eines Haushaltsstreits mit der Opposition überraschend das Kriegsrecht aus. Yoon begründete die radikale Maßnahme unter anderem damit, dass die linke Opposition angeblich von kommunistischen und staatsfeindlichen Kräften unterwandert sei. Beweise für diese Anschuldigungen legte Yoon Suk-yeol nicht vor.

Laut Aussagen mehrerer Militärs hatte Yoon im Zuge seines Kriegsrechtsdekrets angeordnet, die Abgeordneten der Nationalversammlung mit Hilfe des Militärs davon abzuhalten, das Kriegsrecht per Abstimmung für ungültig zu erklären. Anfang April wurde Yoon endgültig vom Verfassungsgericht des Amtes enthoben. Die von ihm ausgelöste Staatskrise hat das Wirtschaftswachstum des Landes deutlich abgebremst und auch internationale Investoren stark verunsichert.

Oppositionsführer droht Ausschluss von Präsidentschaftswahl

Am 3. Juni werden die Südkoreanerinnen und Südkoreaner nun ein neues Staatsoberhaupt wählen. Die aktuellen Umfragen führt der linke Oppositionsführer Lee Jae-myung an, der bereits zum zweiten Mal als Präsidentschaftskandidat antritt. Allerdings droht Lee der Ausschluss von der vorgezogenen Abstimmung. Der Oberste Gerichtshof stellte am Donnerstag seine Eignung für das höchste Staatsamt infrage. Er befand, dass Lee 2022 mit "falschen Aussagen" die Wählerschaft in die Irre geführt und somit gegen Wahlgesetze verstoßen habe.

Das Oberste Gericht gelangte damit zu einer anderen Auffassung als eine niedere Instanz, die Lee von den Vorwürfen bereits freigesprochen hatte. Es verwies den Fall zurück an ein Berufungsgericht, das nun entscheiden muss, ob Lee von der Wahl am 3. Juni disqualifiziert wird.

Lee hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Er erklärte, dass er nicht mit dieser Entscheidung des Obersten Gerichts gerechnet habe. Er bleibe aber zuversichtlich. Es ist unklar, ob das Berufungsgericht noch vor der Wahl ein Urteil fällt. Doch so oder so dürfte der Fall nach Auffassung von Beobachtern Lee schaden. Der Politikwissenschaftler Shin Yul sprach von einem Schlag für Lee und dessen liberal ausgerichtete Demokratische Partei. "Das Berufungsgericht wird entscheiden, ob er für ein Amt kandidieren darf oder nicht, aber das Oberste Gericht hat ihn im Grunde für schuldig befunden. Moderate Wähler, zehn Prozent der Gesamtzahl, werden von dieser Nachricht beeinflusst werden", sagte er.

Lee führte die Umfragen zuletzt mit großem Vorsprung auf seine Rivalen an - obwohl er in mehrere Justizverfahren verwickelt ist. Der Vorwurf des Verstoßes gegen Wahlgesetze stand dabei im Mittelpunkt. Sollte das Berufungsgericht ein Schuldurteil im Einklang mit der Entscheidung des Obersten Gerichts fällen, würde Lee für mindestens fünf Jahre von Wahlen ausgeschlossen.

Lee als Hoffnungsträger

Schon jetzt könnte seine Glaubwürdigkeit Schaden nehmen. Gleichzeitig könnte die Entscheidung aber auch die Gräben in der Gesellschaft noch weiter aufreißen. Für viele Südkoreaner ist Lee, der im Jänner 2024 einen Anschlag überlebte, eine Art Hoffnungsträger. Das Land steckt seit Monaten in einer tiefen politischen Krise. Gerade in der besonders tumulthaften Phase machte Lee als Oppositionsführer in Umfragen immer mehr Boden gut. Er kletterte über die Mauern der Nationalversammlung, um Sicherheitskordons zu umgehen, die auf Yoons Befehl eingesetzt worden waren, übertrug seine Aktionen live und forderte die Zuschauer auf, vor dem Parlament zu demonstrieren, um die Verhaftung von Abgeordneten zu verhindern.

Die Demokratische Partei signalisierte nach der Entscheidung des Obersten Gerichts demonstrativ Unterstützung für Lee. Es sei ausgeschlossen, Lee als Kandidaten zu ersetzen, sagte ein Sprecher. Einige Kommentatoren erwarten jedoch, dass die Partei ihre Optionen zumindest prüfen wird.

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