Streiks in Frankreich: Alles steht still

Streiks in Frankreich: Alles steht still
In Frankreich kommt es aufgrund landesweiter Streiks zu massiven Verkehrsbehinderungen. Auch Flüge der AUA betroffen.

Frankreich bereitet sich auf einen der größten Streiks im öffentlichen Dienst vor. "Ich habe noch nie gesehen, dass so viele Leute staubige alte Fahrräder aus ihren Kellern holen", sagte Julien, ein Mechaniker einer Fahrradwerkstatt in einem wohlhabenden Viertel der Hauptstadt.

Die Gewerkschaften stellen sich auf einen landesweiten Streik über die Pensionsreform ein. Sie hoffen, dass der Arbeitskampf den Verkehr zum Stillstand bringt, Schulen geschlossen werden müssen und die Müllabfuhr nichts gegen die unvermeidlichen Abfallberge unternimmt, um Präsident Emmanuel Macron zur Rücknahme seiner Pensionsreform zu zwingen. "Wir müssen die Wirtschaft lahmlegen", sagte Christian Grolier, ein hochrangiger Vertreter der Gewerkschaft Force Ouvriere, der Nachrichtenagentur Reuters.

Bahnreisen

Die Arbeitsniederlegungen wirken sich nicht nur auf den Nahverkehr vor Ort aus. Die französische Bahngesellschaft SNCF strich am Donnerstag nach eigenen Angaben 90 Prozent der TGV-Schnellzüge, auch die Deutsche Bahn warnte ihre Kunden: "An den Streiktagen finden im Fernverkehr keine Zugfahrten von und nach Frankreich statt." Sie bat Reisende, sich entsprechend auch in den kommenden Tagen online über ihre Verbindungen zu informieren.

Fahrten bis einschließlich Mittwoch kommender Woche können nach Angaben der Bahn kostenfrei auf die gleiche Verbindung an einem anderen Reisetag umgebucht werden. Zudem können sich Kunden ihre Fahrkarten für Reisen nach Frankreich in diesem Zeitraum, die nicht mehr genutzt werden, erstatten lassen. Auch die SNCF-Verkaufsstellen in Frankreich buchen Verbindungen nach Deutschland nach Angaben der Bahn kostenlos um.

Flugreisen

Die Lufthansa konnte die Gesamtzahl der Flugausfälle am Donnerstag vorerst nicht beziffern, allein zwischen Frankfurt und Frankreich wurden demnach aber insgesamt 18 Flüge annulliert. Überflüge, zum Beispiel auf die Iberische Halbinsel, könnten "zwar verkehren, sich aber verspäten". Die Airline versuche, betroffene Kunden "aktiv anzusprechen". Die Lufthansa-Tochter AUA sagte am Vormittag zwei Flüge zwischen Wien und Paris ab, ein weiterer Flug war verspätet.

Flugreisende sollten sich aber in jedem Fall so früh wie möglich selbst informieren. Erster Ansprechpartner ist immer die Fluggesellschaft, bei Pauschalreisen ist es der Reiseveranstalter. Auch der jeweilige Flughafen bietet auf seiner Internetseite ausführliche Informationen über die aktuellen Abflug- und Ankunftszeiten. Bei Informationen aus dem Internet ist es sinnvoll, sich diese auszudrucken, um später einen Beleg zu haben.

Stornieren oder Umbuchen

Einen streikbedingt gestrichenen Flug kann der Kunde stornieren, er bekommt dann sein Geld zurück. Wer trotzdem fliegen will, hat Anspruch auf einen späteren Flug. Das kann aber dauern, bis der Streik vorbei ist - und auch länger, da ein Rückstau entstehen kann. Ist ein Ersatzflug erst am kommenden Tag oder später möglich, besteht Anspruch auf Übernachtung im Hotel inklusive Transfers.

Übernachtung Ja, Entschädigung Nein

Ab einer Verspätung von zwei bis vier Stunden je nach Flugstrecke haben Betroffene zusätzlich Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Telefonate, Getränke und Mahlzeiten. Auch bei einer großen absehbaren Verspätung sollten Passagiere aber immer zur ursprünglichen Abflugzeit am Flughafen sein. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Fluggesellschaft doch früher einen Ersatzflug anbieten kann - und Reisende ihn dann verpassen.

Zwar haben Passagiere laut EU-Verordnung bei Annullierung, Überbuchung oder Verspätung ab drei Stunden auch Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro je nach Flugstrecke - aber nur, wenn kein "außergewöhnlicher" Umstand daran schuld ist. Als ebensolchen werten die Fluggesellschaften Streiks, eine Ausgleichszahlung gibt es daher nicht. Verbraucherschützer haben an dieser Sichtweise allerdings rechtliche Zweifel.

Autofahrten

Nach Angaben des deutschen Autofahrerclubs ADAC wird es "auf den Autobahnen und Straßen natürlich voller", zusätzlich muss in Frankreich lokal mit einzelnen Straßenblockaden und Wartezeiten gerechnet werden. Auf größere Behinderungen stelle sich der ADAC jedoch nicht ein, hieß es. Er riet Autofahrern aber nach Erfahrungen mit früheren Großkundgebungen in Frankreich, sicherheitshalber "einen großen Bogen um Menschenansammlungen und Demonstrationen zu machen".

 

Bei der staatlichen Bahngesellschaft SNCF und der Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP kommt es jedenfalls zu massiven Verkehrsbehinderungen

Die staatliche französische Bahngesellschaft SNCF strich 90 Prozent der TGV-Schnellzüge und 80 Prozent der Regionalzüge. In Paris lag der Verkehr auf elf der 16 Metrolinien lahm. Wegen des eingeschränkten öffentlichen Verkehrs stiegen fiele Pendler im Frühverkehr auf Autos um. Vor allem in der Hauptstadtregion Paris stauten sich in der Früh die Autos, berichteten französische Medien.

Neben dem Bahnverkehr waren auch Flugverbindungen betroffen. 

Streiks in Frankreich: Alles steht still

So wurden unter anderem zwei AUA-Flüge zwischen Wien und Paris am Donnerstagvormittag abgesagt, konkret der Flug OS411 (Start um 07.05 Uhr in Wien) und der Flug OS412 (Ankunft um 12.05 Uhr in Wien). Wie es vom Flughafen Wien auf APA-Anfrage hieß, wurden keine weiteren Flugausfälle erwartet.

Wie auf der Internetseite des Flughafens ersichtlich war, sollte der um 10.50 Uhr geplante AUA-Flug nach Paris stattfinden, ebenso wie weitere Flüge der Lufthansa-Tochter sowie von Level und Air France. Der AUA-Frühflug aus Paris hatte mit zwei Stunden deutliche Verspätung. Er sollte erst um 10.45 Uhr in Wien ankommen statt wie geplant um 09.05 Uhr.

245 Demonstrationen angemeldet

Mehr als die Hälfte aller Lehrer an Volks- und weiterführenden Schulen wird nicht zur Arbeit gehen und die Notaufnahmen von Krankenhäusern landesweit mit dünner Personaldecke auskommen müssen.

In ganz Frankreich sind nach Angaben von Innenminister Christophe Castaner 245 Demonstrationen angemeldet. In Paris soll es einen großen Demonstrationszug geben. Aus Sicherheitsbedenken hat die Polizei Ladenbesitzer an der Demoroute aufgefordert, ihre Geschäfte und Restaurants nicht zu öffnen. "Wir wissen, dass der radikale schwarze Block und "Gelbwesten" beschlossen haben, an den Demonstrationen in Paris teilzunehmen", sagte Castaner. Die Behörden rechnen mit Krawallen.

Macron will Frankreichs veraltetes Pensionssystem vereinfachen, das mehr als 40 verschiedene Pensionsformen umfasst. Viele davon haben uneinheitliche Pensionsantrittsalter und unterschiedliche Auszahlungsmodalitäten. Er sagt, das System sei unfair und zu teuer. Macron fordert ein einheitliches, punktebasiertes System, wonach jeder Pensionist für jeden eingezahlten Euro die gleichen Rechte habe.

Die bisherigen Versuche einer Pensionsform sind nicht gut ausgegangen: Die konservative Regierung des ehemaligen Präsidenten Jacques Chirac hat sich 1995 nach wochenlangen, lähmenden Protesten den Forderungen der Gewerkschaften gebeugt.

Laurent Berger, Chef der reformorientierten CFDT-Gewerkschaft, sagte, das soziale Umfeld sei explosiver als 1995. "In Bezug auf Spannungen, sozialen Zusammenhalt und Brüche in der Gesellschaft ist es jetzt viel schlimmer", sagte Berger der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Verkehrsgewerkschaften haben für den am 5. Dezember beginnenden Streik kein Enddatum festgelegt.

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