Spanien streitet um das Recht auf Prostitution

Frauen demonstrieren mit Schildern, auf denen „Puta“ steht.
Das Geschäft mit Sex blüht im katholischen Land. Die Linksregierung will Prostitution verbieten. Doch selbst Feministinnen sind skeptisch.

aus Madrid Stefanie Claudia Müller

Elizabeth kommt aus Nigeria. Sie ist stolz und geht mit erhobenem Kopf durch die Straßen von Madrid, trotz allem, was ihr widerfahren ist. Ihre Geschichte ist so traurig, dass sie diese nur in Stücken und über Jahre hinweg den wenigen Menschen erzählen kann, denen sie noch vertraut: Elizabeth landete mit nur 15 Jahren in der spanischen Prostitution. Ihre Eltern hatten sie mit Schleppern nach Europa geschickt.

Nach offiziellen Angaben des spanischen Innenministeriums aus dem Jahr 2012 gibt es in Spanien rund 45.000 Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden bzw. die über Schlepperbanden in dem Metier hängen geblieben sind. Nach Schätzungen des spanischen Soziologen Antonio Ariño gibt es weitere 50.000 bis 60.000 freiwillige Sexarbeiterinnen, andere gehen von 100.000 aus. Der Anteil der Prostitution am spanischen Bruttoinlandsprodukt beträgt rund 0,35 Prozent. Das eng damit verbundene Drogengeschäft kommt auf 0,5 Prozent.

Eine Person mit „Haus des Geldes“-Maske demonstriert vor einem PSOE-Banner.

Demo in Madrid gegen ein Prostitutionsverbot im Juni 2022: Die meisten Teilnehmerinnen wollten ihr Gesicht nicht in der Öffentlichkeit zeigen und traten maskiert auf.

Keine klaren Regeln

In Spanien ist Prostitution nicht verboten, sie war bisher aber auch nicht klar geregelt. Sie war weder illegal noch offen erlaubt, weswegen Prostituierte in Spanien kaum Rechte haben. Die aktuelle Regierung unter Pedro Sánchez will das ändern und vor allem aktiv werden – auch ohne Anzeige der Betroffenen.

Für Elizabeth kommt diese Hilfe zu spät. Sie ist jetzt 21 Jahre alt und war so mutig, gegen ihre Peiniger vor Gericht auszusagen. Jetzt will die Mutter zweier kleiner Kinder wieder auf eigenen Beinen stehen – sie bemängelt aber, dass sie dafür nicht ausreichen Unterstützung vom Staat erhalte.

Eine Frau in Unterwäsche steht neben einem Mann in einem dunklen Raum mit roter Beleuchtung.

Aufnahme eines Bordells in Jonquera an der Grenze zu Frankreich.

Der spanische Film "Princesas" von Fernando León de Aranoa (2005) beschreibt die Tristesse von Prostituierten in Spanien, vor allem jene von Migrantinnen, von denen viele keinen Aufenthaltstitel haben. Viel habe sich seit damals nicht geändert, meint Conrado Giménez, Gründer der Stiftung Madrina in Madrid. Er setzt sich für Frauen wie Elizabeth ein, die nun ihre Papiere hat und in Spanien bleiben darf. Giménez hilft ihnen, andere Jobs und Ausbildungsmöglichkeiten zu finden, ihre Kinder auszutragen und zu versorgen, vermittelt den Frauen ein sicheres Zuhause und kämpft gegen die Mafia.

Von einem Teil der Presse wird er als ultra-konservativ beschrieben, hilft aber dort, wo die Gesellschaft wegschaut – darunter auch die Kirche. "Sie stützt indirekt diese Strukturen, weil es keinen adäquaten Sexualunterricht in den religiösen Schuleinrichtungen in Spanien gibt", sagt Frauenrechtlerin Encarna Bodelón von der Organisation Antígona in Barcelona.

Im Nachbarland verboten

Wer einmal in Jonquera an der Grenze zu Frankreich war, wo es legale Massen-Bordelle gibt, versteht das Problem: Während Sex-Clubs auf der anderen Seite schon seit 1946 verboten sind, wird in Spanien erst jetzt über ein Ende nachgedacht. Derzeit sind es vor allem die Konservativen (PP), die den Gesetzesvorschlag der Linksregierung zu einem Verbot der Prostitution unterstützen. Für Bodelón ist das jedoch der falsche Weg: "Natürlich muss es eine Strafverfolgung geben, aber viel wichtiger ist es, den Frauen zu helfen, Alternativen zu finden. Sie haben meist Kinder und brauchen das Geld. Wer aber stellt eine Ex-Prostituierte ein?"

Eine Demonstrantin mit Maske hält ein Schild mit der Aufschrift „Por mis derechos y libre elección“.

Nicht alle Betroffenen und Feministinnen sind für das Verbot: Sie wollen, dass Prostitution offiziell als Beruf anerkannt und geregelt wird.

Beatriz Beseler, Sprecherin von Médicos del Mundo, glaubt, dass es absolut notwendig sei, endlich klare Regeln aufzustellen. Sie ist einverstanden, dass die Betreiber der vielen "Puticlubs" (Bordelle) an den Autobahnen, an der Küste und in den Dörfern verboten werden: "Es darf kein organisiertes Geschäft sein, wo Frauen von Männern ausgenutzt werden."

Bodelón glaubt jedoch, dass Spanien Prostitution nicht von einen Tag auf den anderen verbieten könne, ohne den Frauen eine Alternative anzubieten: "Sonst besteht die Gefahr, dass alles noch mehr in die Illegalität abrutscht und es den Frauen noch schlechter geht."

Elizabeth hofft jedoch auf ein klares Zeichen der spanischen Gesellschaft: "Ich bin für eine konsequente Strafverfolgung der Zuhälter." Sie hofft, dass dann weniger in die grausame Falle der Schlepper tappen.

Kommentare