Ukraine: Verschleppte Kinder laut Bericht in SOS-Kinderdörfer gebracht

Children from Donbas region play near modular houses donated by the Polish government for Ukrainian internally displaced persons in Lviv
Die russische Zweigstelle der österreichischen NGO soll in Zwangsadoptionen involviert sein. Die Organisation will den Fall untersuchen und Vorwürfe gegen Praktiken in Russland aufklären.

Die internationale Hilfsorganisation SOS-Kinderdörfer ist laut einem Bericht des ZDF-Magazins "frontal" in die systematische Verschleppung ukrainischer Kinder durch Russland verstrickt. Dem Magazin liegen laut einer Mitteilung vom Dienstag Bilder vor, die zeigen, wie ukrainische Kinder in die Siedlung Tomilino in der Nähe von Moskau gebracht werden. Dort seien sie offenbar russischen Pflegeeltern übergeben worden.

Das Twitter-Profil des ZDF-Magazins "frontal" ist seit dem frühen Dienstagnachmittag übrigens nicht mehr erreichbar.

Die Siedlung Tomilino gehört seit 1990 zu den SOS-Kinderdörfern. Die Hilfsorganisation räumte gegenüber dem ZDF ein, dass sie von 13 ukrainischen Kindern in ihren Dörfern in Russland wisse. Weiter teilte sie schriftlich mit: "SOS-Kinderdorf Russland kann keine Auskunft darüber geben, wie die Kinder nach Russland kamen und wie sie die russische Staatsbürgerschaft erlangten."

"SOS-Kinderdorf ist gegen den Einsatz von Kindern für politische Zwecke. Wir unterstützen das nicht und werden diesen Fall prüfen", heißt es in dem Schreiben laut "frontal" weiter. Das Hauptziel von SOS-Kinderdorf Russland sei es, Kinder unabhängig von ihrer Herkunft zu schützen, auch unter extrem schwierigen Bedingungen, beteuerte die Organisation.

Auf KURIER-Nachfrage erklärte ein Sprecher von SOS-Kinderdorf, dass die Zweigstelle in Russland Kinder von den staatlichen Behörden zugewiesen bekomme. "Wir können in solchen Fällen im Vorhinein leider nicht unabhängig überprüfen, ob das stimmt, was uns die Behörden zur Herkunft der Kindern erzählen", so der Sprecher. Wenn die Kinder einmal da sind, seien den Mitarbeitern jedoch die Hände gebunden - "wir können und werden sie nicht auf die Straße setzen".

Grundsätzlich sei aber anzumerken, dass die SOS-Kinderdörfer in Russland unter "massivem Druck" der dortigen Behörden stehen und der Kontakt mit der Zentrale in Wien sich seit Kriegsbeginn "erheblich verschlechtert" habe. SOS-Kinderdorf Russland arbeitet nach eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren in dem Land und betreut dort derzeit mehr als 600 Kinder. Auch in der Ukraine SOS Kinderdorf aktiv.

"Umerziehung" bei Pflegefamilien

Nach Recherchen von "frontal" besuchte die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lvova-Belova im Dezember 2022 das SOS-Kinderdorf Tomilino. Ihre Behörde organisiere Zwangsadoptionen ukrainischer Kinder mit dem Ziel der Russifizierung, hieß es in dem Bericht. Während ihres Besuches seien Propagandabilder mit verschleppten ukrainischen Kindern entstanden.

Das ZDF-Magazin wies darauf hin, dass seit Kriegsbeginn am 24. Februar ukrainische Kinder und Jugendliche systematisch nach Russland verschleppt würden. Viele der Kinder würden dort zur Zwangsadoption freigegeben und kämen in russische Pflegefamilien. Ziel sei, dass sie alles Ukrainische vergessen und stattdessen eine pro-russische patriotische Erziehung erhalten sollten.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte im Jänner auf die entsprechenden Vorwürfe gegen Russland hingewiesen und in diesem Zusammenhang von dem "gezielten Versuch, ein Volk zu zerstören", gesprochen. Allerdings sagte sie auch, dass gesicherte Fakten dazu fehlten. Russland bestreitet die Vorwürfe.

Das Humanitarian Research Lab der US-Universität Yale ging zuletzt von etwa 6.000 nach Russland verschleppten ukrainischen Kindern aus, die ukrainische Regierung nennt eine Zahl von mindestens 14.000. Entsprechende Berichte von Verschleppungen gab es unter anderem aus besetzten Gebieten in Cherson oder aus Mariupol.

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