Schallenberg setzt Westbalkan-Reise fort: "Wir brauchen einen Deal"

++ HANDOUT ++ AUSSENMINISTER SCHALLENBERG IN NORDMAZEDONIEN
Mit Außenministern aus Slowenien und Tschechien bei Staatsoberhaupt Meta, Premier Rama und Außenministerin Xhaçka.

Die Lacher waren Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Pfingstsonntag in Tirana gewiss. "Wir sind die drei Musketiere" präsentierte er sich und seine Amtskollegen aus Slowenien, Anže Logar, und Tschechien, Jakub Kulhánek, bei einem Pressetermin mit Albaniens Ressortchefin Olta Xhaçka in Tirana. Dabei meint es das Trio bitterernst: Man kämpfe für eine zügige Erweiterung der EU am Westbalkan, wurde wie schon am Vortag bei einem Visite in Nordmazedonien unisono betont.

Dass die Atmosphäre an einem sonnigen Vormittag im Garten des Außenministeriums im Zentrum der albanischen Hauptstadt durchaus heiter verlief, lag auch an den dort beheimateten Schildkröten, die vor dem Vierer-Panel ihre Kreise zogen. Wie dies zu interpretieren war, blieb offen. Manche der anwesenden internationalen Journalistinnen und Journalisten sahen die Kriechtiere ob ihres gemächlichen Tempos kritisch als Sinnbilder für die EU-Annäherung Albaniens (Schallenberg: "Nicht unsere Philosophie"), andere gestanden ihnen einen gewisse Zielstrebigkeit zu. Der Panzer wiederum wurde auch als Zeichen einer besonderen Widerstandskraft samt Durchhaltevermögen gedeutet, zumal Schildkröten ja auch sehr alt werden können.

"Strategisches Interesse"

Wie auch immer, Schallenberg brach erneut eine Lanze für eine rasche Erweiterung der EU um die sechs Länder des Westbalkans, zu dem neben Albanien und Nordmazedonien auch noch Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, Serbien und Montenegro zählen. Diese sei aus politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gründen im "strategischen Interesse" aller EU-Mitgliedsstaaten, betonte der Außenminister. "Erst dann werden wir die historische Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden haben."

Er hoffe, dass noch unter der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft bei einer Regierungskonferenz im Juni der Startschuss für die Aufnahme von Beitrittgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien gegeben werde. Beide Länder hätten ihre "Hausaufgaben" in den vergangenen Jahren gemacht und dabei "Beachtliches geleistet", nun gebe es keinen Anlass für weitere Verzögerungen.

Eine Entkoppelung der Aufnahme der Beitrittsgespräche von Albanien und Nordmazedonien lehnte Schallenberg auf Mediennachfrage dezidiert ab. Aktuell wird der Beitrittsprozess von Mazedonien, das bereits seit 2005 an die Tür der EU klopft (Albanien steht erst seit 2014 sinnbildlich davor) von Bulgarien wegen historischer Streitigkeiten und Sprachfragen blockiert.

Solche bilateralen Fragen sollten keine "europäischen" werden, hatte Schallenberg schon in Skopje gemahnt, und gebeten, "Rhetorik und Emotionen herunterzufahren". Ähnlich argumentierte auch Logar, der das künftige EU-Vorsitzland Slowenien (ab 1. Juli) als "eifrigen" Fürsprecher und Unterstützer einer EU-Westbalkanerweiterung präsentierte. Es sollte durch bilaterale Frage nicht ständig zu Blockaden kommen, argumentierte der slowenische Außenminister sinngemäß. Alle früheren, aktuellen und künftigen Beitrittskandidaten hätten objektiv Kriterien zu erfüllen (gehabt) und sollten daran gemessen werden. "Wenn man sie erfüllt, kommt der nächste Schritt. Alles andere wäre gefährlich."

Der tschechische "Musketier" Kulhánek stellt Albanien diesbezüglich ein gutes Zeugnis aus. In den Bereichen Justizreform, Rechtsstaatlichkeit sowie Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität habe das Land schon viel erledigt. "Es ist ein Prozess im Gang, auch wenn noch Einiges zu tun ist." Eine Eröffnung der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien wäre gewiss auch ein Schub für die ganze Region.

Albaniens Außenministerin Xhaçka gab zu bedenken, dass Albanien schon jetzt politisch, wirtschaftlich und auch in Sicherheitsfragen eng mit der EU verflochten sei. "Alles, was bei uns passiert, geht auch die EU-Länder an." Aber allein wegen der Sicherheitspolitik müssten alle EU-Staaten ein strategisches Interesse an einer Erweiterung am Westbalkan haben. Von Journalisten vorgebrachte Bedenken wegen Einschränkungen der Medienfreiheit in Albanien wischte Xhaçka vom Tisch, vor dem die Schildkröten kreuzten. Das Parlament in Tirana hatte Ende 2019 neue Gesetze zur Regulierung von Online-Medien gebilligt. Daran habe es Kritik gegeben, räumte die Ministerin ein. Doch sei es letztlich zu keinen die Medienfreiheit beeinträchtigenden Verschärfungen gekommen. Es gebe also keinen Grund, den Beginn von Beitrittsverhandlungen weiter zu verzögern.

Schallenberg traf am Sonntag in Tirana noch Premier Edi Rama (Sozialisten) sowie den Oppositionspolitiker Lulzim Basha von der konservativen PDS (Demokratische Partei). Rama habe unter anderem einen konkreten Zeitplan für das weitere Vorgehen gefordert, auch für den Fall, dass es im Juni doch noch zu keiner Entscheidung bezüglich der Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen kommen sollte, berichtete Schallenberg nach den Treffen.

Die albanische Bevölkerung brauche nämlich eine Perspektive, zumal sie von der EU schon mehrmals enttäuscht worden sei, habe Rama erklärt und das Bild von einer Hochzeitsfeier gezeichnet, für die schon lange und genau alles arrangiert sei. "Und dann taucht die Braut nicht auf." Wichtig sei für Rama auch ein genauer Wirtschafts- und Investitionsplan, so Schallenberg.

Ramas Sozialistische Partei (PS) hatte Ende April die Parlamentswahlen gewonnen. Sie kann nach acht Jahren an der Macht vier weitere Jahre regieren. Für Außenministerin Xhaçka (ebenfalls PS) ein weiterer Beweis für die politische Stabilität des Landes, die eine erfolgreiche EU-Annäherung garantiere.

Basha habe hingegen geklagt, dass die Korruption unter Rama in den vergangenen Jahren nur angewachsen sei. Auch bei den Wahlen sei vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen. Der Stimmenkauf sei etwa schlimmer denn je gewesen, beklagte der konservative Politiker, wie Schallenberg am Rückflug nach Wien erzählte.

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