Russische Marineinfanteristen: 300 tote Soldaten in vier Tagen

Russische Marineinfanteristen: 300 tote Soldaten in vier Tagen
Zudem verliert Russland nach britischen Angaben mehr Flugzeuge, als es nachproduzieren kann.

Eine Einheit russischer Marineinfanteristen soll binnen vier Tagen 300 Mann bei Kämpfen im Gebiet Donezk verloren haben. Das geht aus einem Beschwerdebrief von Angehörigen der 155. Marineinfanterie-Brigade der russischen Pazifikflotte hervor, über den das unabhängige Portal The Insider berichtete.

Der Telegram-Kanal „Grey Zone“, der Verbindungen zu der Söldnertruppe Wagner haben soll, veröffentlichte das an den Gouverneur des Gebiets Primorje, Oleg Koschemjako, gerichtete Schreiben. Die Soldaten seien tot, verwundet oder würden vermisst, hieß es.

Militärstaatsanwaltschaft

Koschemjako räumte am Montag zwar schwere Kämpfe und Verluste in der 155. Brigade ein. Diese seien aber „bei weitem nicht so hoch“ wie in dem Brief der Soldaten vom Sonntag angegeben, sagte er in einer auf seinem offiziellen Telegram-Kanal veröffentlichten Videobotschaft. Das hätten die Kommandeure an der Front ihm versichert. Die Militärstaatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden, um in der Sache zu ermitteln.

Wieder einmal hätten ihre Kommandeure die Einheit „in eine unverständliche Offensive“ geworfen, nur damit die Befehlshaber Prämien erhielten oder zum „Helden Russlands“ ernannt würden, hieß es in dem Schreiben der Soldaten an den Gouverneur der fernöstlichen Region Primorje. Infolge der „sorgfältig“ geplanten Offensive der „großen Feldherren“ bei dem Ort Pawliwka im Gebiet Donezk habe die Einheit rund 300 Mann sowie die Hälfte ihrer Technik verloren. „Und das ist nur unsere Brigade.“

Die Soldaten forderten die Entsendung einer unabhängigen Kommission - „nicht aus dem Verteidigungsministerium“ -, um die Kommandeure ihrer Einheit zur Rechenschaft zu ziehen. Die Befehlshaber verheimlichten die tatsächlichen Verluste. Sie scherten sich um nichts. „Sie nennen Menschen Fleisch.“

Der von den russischen Besatzern als Chef des annektierten Donezker Gebiets eingesetzte Denis Puschilin hatte am vergangenen Mittwoch von Kämpfen um Pawliwka berichtet. Am Sonntag erklärte das russische Verteidigungsministerium, dass bei russischen Angriffen und Artilleriebeschuss in der Gegend von Pawliwka 70 ukrainische Soldaten getötet und ukrainische Kampftechnik zerstört worden sei. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Hoher Verlust russischer Flugzeuge

Russland kann nach Einschätzung britischer Geheimdienst-Experten die Verluste an Flugzeugen beim Angriffskrieg in der Ukraine nicht wettmachen. "Die russischen Flugzeug-Verluste übersteigen wohl ihre Fähigkeit, neue Flugwerke herzustellen erheblich", hieß es im täglichen Update des britischen Verteidigungsministeriums zum Ukraine-Krieg am Montag.

Auch die lange Zeit, die zur Piloten-Ausbildung notwendig sei, reduziere die Fähigkeit Moskaus, seine Kapazitäten zu regenerieren.

Ukrainischen Angaben zufolge hätten die russischen Streitkräfte seit Beginn der Invasion bereits 278 Flugzeuge verloren - doppelt so viele wie in Afghanistan, so die Briten.

"Wir können diese Zahlen nicht verifizieren, aber das anhaltende Fehlen russischer Lufthoheit wird wahrscheinlich verstärkt durch schlechtes Training, den Verlust erfahrener Crews und erhöhte Risiken durch enge Luftunterstützung in mit engmaschiger Luftabwehr ausgestatteten Zonen", hieß es in der Mitteilung weiter. Das werde sich wohl in den kommenden Monaten nicht ändern.

Zivile Infrastruktur zerstört

Schwere Kämpfe haben auch am Sonntag die Region um die südukrainische Stadt Cherson erschüttert. Nach Darstellung des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte wurde in der Ortschaft Kachowka ein Gebäude zerstört, in dem sich rund 200 russische Soldaten aufhielten.

Die Folgen dieses Angriffs würden von russischer Seite „sorgfältig verschleiert“, hieß es. Bei Radensk sei eine Kolonne gepanzerter russischer Fahrzeuge zerstört worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Ukrainer und Russen haben sich nach neuem gegenseitigen Beschuss Zerstörung von ziviler Infrastruktur vorgeworfen. Am Montagmorgen hätten russische Truppen ein Dorf im Gebiet Saporischschja beschossen, sagte der Vizechef des Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko. 16 Objekte ziviler Infrastruktur seien dabei zerstört worden. Ein Mensch sei gestorben. Im Gebiet Sumy hätten die „russischen Terroristen“ Grenzregionen beschossen. Dabei seien ein Mensch getötet und ein weiterer verletzt worden. Auch die Behörden in den von Russland besetzten Gebieten klagten über Beschuss von ukrainischer Seite.

In der von russischen Truppen kontrollierten Großstadt Donezk wurde nach Angaben der Behörden die Zentrale der Eisenbahnverwaltung getroffen. In dem schwer beschädigten Gebäude brach ein Brand aus, wie auf von der Stadtverwaltung veröffentlichten Fotos zu sehen war. Es gab keine Informationen zu Verletzten.

Angespannt war die Lage weiter in Cherson. Dort würden die ukrainischen Streitkräfte ihre Truppen konzentrieren, sagte der von Russland eingesetzte Vize-Verwaltungschef Kirill Stremoussow.

Die Evakuierung der Region gehe weiter. Vor allem Menschen, die nicht selbst gehen könnten, sollten in Sicherheit gebracht werden. Teils gebe es Stromausfälle. An der Front sei die Lage unverändert, sagte Stremoussow. Die Ukraine hatte immer wieder angekündigt, Stadt und Gebiet Cherson zu befreien.

Selenskij kritisiert den Iran

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskij hat Teherans Waffenlieferungen an Russland als Beitrag zur Verlängerung des Kriegsgeschehens kritisiert. „Der Iran unterstützt das terroristische Regime Russlands und hilft, den Krieg zu verlängern und daher auch die Bedrohungen für die Welt zu verlängern, die durch den russischen Angriffskrieg entstanden sind“, sagte Selenskij am Sonntagabend in seiner täglichen Videoansprache.

Ohne die Unterstützung Teherans für Moskau „wären wir schon näher an einem Frieden“, sagte der ukrainische Staatschef.

Ohne die Einmischung Teherans wäre auch eine Lösung für die weltweite Nahrungsmittelkrise oder die Energiekrise greifbarer, argumentierte er weiter. „Wer auch immer Russland hilft, diesen Krieg zu verlängern, muss auch die Verantwortung für die Konsequenzen dieses Kriegs übernehmen.“ Teheran hat erst am Samstag eingestanden, Drohnen an Russland geliefert zu haben - sprach aber nur von einigen wenigen Exemplaren. Selenskij bezichtigte Teheran daraufhin der Lüge.

Kiew: Kein Strom über Stunden

Im Laufe des Tags seien von russischer Seite erneut iranische Angriffsdrohnen eingesetzt worden. „Es gab Abschüsse, aber leider auch Treffer“, sagte Selenskij. Es sei erkennbar, dass der „terroristische Staat“, wie er Russland nannte, Kräfte und Mittel für neue Massenangriffe auf die Infrastruktur der Ukraine bündele. Knapp 4,5 Millionen Ukrainer litten bereits unter Stromausfällen. „Wir bereiten uns darauf vor, zu antworten“, sagte Selenskij.

Der russische Präsident Putin lässt immer wieder gezielt Infrastruktur in der Ukraine bombardieren, auch in der Hauptstadt Kiew. Ganze Stadtteile haben stundenweise kein Licht. Für den Montag wurden erneut massive Stromabschaltungen in Kiew abgekündigt. Es werde schlimmer als ursprünglich befürchtet, schrieb der Generaldirektor des staatlichen Versorgers Ukrenergo, Sergy Kowalenko, auf Facebook. Dies sei auf „höhere Gewalt“ zurückzuführen.

Laut humanitärem Völkerrecht müssen eigentlich „alle möglichen Maßnahmen“ unternommen werden, um das Leben von Zivilisten sowie grundlegende Infrastruktur wie Kraftwerke oder Wasserversorgung zu schützen.

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