Gezielte Provokation
Ein Bruch des hippokratischen Eides bleibt somit ohne Folgen für den Mediziner. Das neue Gesetz, das Floridas republikanischer Gouverneur Ron de Santis vor wenigen Tagen unterschrieben hat, sorgt nicht nur in Florida, sondern überall in den USA für Aufsehen und Empörung in liberalen Kreisen. Und das ist von De Santis durchaus beabsichtigt. Der Gouverneur, der erst im Vorjahr eine sehr erfolgreiche Wiederwahl hingelegt hat, braucht erstens öffentliche Aufmerksamkeit und zweitens den Zuspruch und die Unterstützung der erzkonservativen Parteibasis der Republikaner.
Längst im Rennen
Denn der Nachkomme italienischer Einwanderer hat sich zwar noch immer nicht offiziell deklariert, ist aber seit Monaten im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, als bisher einziger ernst zu nehmender Gegner von Donald Trump. Gerade erst haben die beiden fast zeitgleich eine Tour durch den Bundesstaat Iowa absolviert, bekanntlich findet dort traditionell die Auftakt-Veranstaltung der republikanischen Vorwahlen statt. Die Erfahrung, die der Mann aus Florida dort machte, deckt sich exakt mit dem, was auch die Umfragen deutlich machen: De Santis' Schwäche ist immer noch seine mangelnde bundesweite Bekanntheit, vor allem im Vergleich zu Trump, der ja ständig im Mittelpunkt des Medieninteresses steht.
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Rechtskonservativ
Die Strategie, die sich DeSantis' Beraterteam zurechtgelegt hat, lautet: Trump rechts überholen - und das begleitet von ordentlich lautem Hupen. Fast jede Woche verabschiedet der Gouverneur derzeit ein Gesetz, oder einen Erlass, der ihn politisch klar rechts positionieren soll, also dort, wo die republikanische Parteibasis ihre Kandidaten sehen will - und die entscheidet bekanntlich die Vorwahlen und damit den Weg zur Präsidentschaftskandidatur 2024.
Wenige Tage vor dem neuen klar schwulenfeindlichen Ärzte-Moralcodex verabschiedete er etwa ein Gesetz, das Universitäten Programme für mehr gesellschaftliche Vielfalt und Inklusion verbietet. Programme für Diversität, Gleichstellung und Inklusion – im Englischen abgekürzt als DEI – sollten eigentlich für "Diskriminierung, Ausschluss und Indoktrinierung", sagte er bei einer Pressekonferenz: "Das hat keinen Platz an unseren öffentlichen Institutionen."
Abtreibungsverbot
Und so geht es munter seit Monaten. So gilt in Florida seit April eine Regelung für Abtreibungen, die diese nach der sechsten Schwangerschaftswoche für illegal erklärt und mit strengen Strafen für Ärzte und Patienten ahndet, auch jene die diese Schwangerschaftsabbrüche mit Medikamenten - per Post aus anderen Bundesstaaten verschickt - durchführen. In der ohnehin seit Monaten mit unglaublichen Emotionen geführten Debatte über Abtreibungen ein Paukenschlag. Seit das US-Höchstgericht im Vorjahr die grundsätzliche und bundesweite Erlaubnis von Schwangerschaftsabbrüchen aufgehoben und damit deren Regelung den einzelnen Bundesstaaten überlassen hat, herrscht bei den konservativen Bundesstaaten ein regelrechter Wettlauf um die strengste Regelung.
Kein Sexualunterricht
Doch De Santis' liebstes Betätigungsfeld für rechtskonservative Ideologie sind die Schulen, dort setzt er Schritt für Schritt Verbote für liberale Pädagogik durch - und natürlich dort, wo es Schlagzeilen macht. So ist Sexualkunde, also die Aufklärung über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in Grundschulen seit dem Frühjahr verboten. "Wir werden dafür sorgen, dass Eltern ihre Kinder zur Schule schicken können, um Bildung zu erhalten, keine Indoktrination", gab sich der Republikaner damals kämpferisch. Und setzt jetzt noch etwas drauf: Das gleiche Verbot soll demnächst auch an höheren Schulen, entsprechend den heimischen Gymnasien, durchgesetzt werden. Dann dürfen Begriffe wie "schwul", oder "homosexuell" auch in den Oberstufen-Klassen nicht mehr verwendet werden. Die Demokraten und Vertreter der LGBTQ-Gemeinschaft haben das Gesetz schon vor dieser Verschärfung scharf kritisiert und ihm die Bezeichnung "Don't say gay", also "Sag nicht schwul" gegeben.
Wettlauf nach Rechts
All das, um Donald Trump bei der rechten Parteibasis und damit bei dessen Stammwählern zu attackieren. Schließlich attackiert das Trump-Lager im insgeheim längst laufenden Kandidatenduell De Santis in TV-Spots weiterhin genau an diesem Punkt: Dieser teile die Werte der Republikaner nicht. Genau dieses Argument muss der Mann aus Florida entkräften - mit allen Mitteln, wie die neuen Gesetze zeigen. Eine Kommentatorin des "Guardian" bringt diesen Wettlauf nach rechts mit bösem Witz auf den Punkt: "Wenn das so weiter geht, sind die beiden Nominierten der Republikaner ein Mann, der den Bundesstaat Florida in eine Hochburg der Scheinmoral verwandelt und ein anderer, mindestens ebenso scheinheilig, der gerade wegen sexueller Übergriffe verurteilt wurde."
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