"Riskieren Wohlstand": Kurz fordert mehr Wachstum in der EU

Austria's Chancellor Kurz addresses the media in Vienna
Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz setzt die EU "heute nicht mehr die Standards, was Innovation und Wachstum betrifft".

Der EU droht nach Einschätzung von Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) der Verlust ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. "Wir wirken satt, selbstzufrieden und träge, haben leider oft nicht mehr den Willen, an der Spitze zu sein", schrieb Kurz in einem Gastbeitrag für die deutsche Tageszeitung "Die Welt", der am Mittwoch auf der Website der Zeitung veröffentlicht wurde.

Der EU müsse klar sein: "Wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren, riskieren wir sowohl unseren Wohlstand als auch unser soziales Netz - und damit zwei Grundpfeiler unserer Gesellschaft."

Der Bundeskanzler beklagte, dass sich viele Debatten in Europa nur noch darum drehten, "wie der bestehende Wohlstand noch weiter umverteilt werden kann, statt darum, wie wir Innovation und Wachstum fördern können". Als Beispiele nannte Kurz die Schaffung neuer Behörden und den "utopisch erscheinenden" europaweiten Mindestlohn, für den sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stark macht. Der deutschen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer sei daher "bei ihrer Warnung vor einer europäischen Sozialunion nur beizupflichten".

Dennoch halte er die von Macron "mit angestoßene" Debatte über EU-Reformen für "sehr wichtig", betonte Kurz. "Während wir in Europa bis heute globale Standards setzen, was Freiheit und Demokratie betrifft, so setzen wir heute nicht mehr die Standards, was Innovation und Wachstum betrifft." China wachse zur größten Volkswirtschaft der Welt heran und kleinere Staaten wie Singapur oder Israel entwickelten sich mit einer Geschwindigkeit, "die wir in Europa schon lange nicht mehr kennen".

Der EU fehle zudem "schlicht der Mut, auf unsere eigenen Interessen zu achten". In diesem Punkt stimme er mit Macron überein: "Wenn es um die Vergabe von Großprojekten in der Infrastruktur geht, dann dürfen wir in Europa nicht immer nur nach dem Billigstbieter suchen, sondern sollten bestmöglich versuchen, europäische Anbieter zum Zug kommen zu lassen."

Macron hatte in einem Gastbeitrag für europäische Tageszeitungen in der vergangenen Woche für einen "Neubeginn in Europa" geworben. Die deutsche Regierung befürwortete die Initiative grundsätzlich, ohne sich jedoch hinter den Vorschlag eines europäischen Mindestlohns zu stellen.

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